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Kultur: Fiese Dumpfbacken

Berlin zum Angewöhnen: "Von Debilen für Debilen" - von OLVON RALPH GEISENHANSLÜKEDie Handschrift kennt man selbst in New York.Von seinem Zeichnerkollegen Til Mette wurde OL auf den Kopf zugesagt, daß er ein Ossi sei.

Berlin zum Angewöhnen: "Von Debilen für Debilen" - von OLVON RALPH GEISENHANSLÜKEDie Handschrift kennt man selbst in New York.Von seinem Zeichnerkollegen Til Mette wurde OL auf den Kopf zugesagt, daß er ein Ossi sei.Was erstens durch und durch stimmt und zweitens daran liegt, daß sich OL in seinen Cartoons einer krakeligen Version der ostdeutschen Schulausgangsschrift bedient.Die meisten Leute, sagt OL, sind deshalb enttäuscht, wenn sie mal einen persönlichen Brief von ihm bekommen. OL - dessen Namen man tatsächlich "Ohl" ausprechen muß, wie Olaf, und nicht "Oll" wie Oliver, und den bürgerlichen Namen hält er sowieso unter Verschluß -, OL zeichnet seit Jahren schon die herrlichsten Strichmännchen und aquarelliert sie auf seinem "Schleicher & Schnell"-Block mit dem saugfähigen 190-Gramm-Papier.Und er wird dafür mittlerweile landauf landab, besonders aber in Berlin, geliebt.Seine "fiesen Dumpfbacken" wie er sie nennt, bevölkern Zeitungen, Magazine - und Bücher, zu denen meist Max Goldt das Vorwort schreibt.Im neuen Band "Von Debilen für Debilen" schreibt der Schriftsteller, OL sei "einerseits der Typ, der in mit Gipsspritzern verzierten Hosen in einer seiner Schmuddelkneipen geht", andererseits aber über "den Blick eines vor langer Zeit nach London ausgewanderten Babymodendesigners" verfüge.Wie wahr. OL, der mit einer schönen und klugen Gefährtin und zwei Kindern in Prenzlauer Berg lebt, kennt, was er zeichnet: die abgewrackten Säufer, die Leute in der U-Bahn und das sonstige Personal seiner meist brüllkomischen Witze.Bevor er den Olymp des gezeichneten Humors betrat, verdingte er sich unter anderem als Gemüsehändler und Gerüstbauer.OL war auch der Mann, der "Focus"-Markwort mit einem Cartoon ("Ficken, Ficken, Ficken.Und immer an die Leser denken") derart provozierte, daß dieser vor Gericht zog.Eine andere Genugtuung für OL: Sogar die "Märkische Volksstimme" zu Potsdam druckt mittlerweile seine Arbeiten.Denn in diesem Betrieb wurde er als Lehrling für Offset-Druck übel geschurigelt, besonders, nachdem er aus der FDJ ausgetreten war und den Dienst mit der Waffe verweigert hatte.Ob es an seinen Trinkgewohnheiten lag, daß die Stasi ihn unter dem Decknamen "Forelle" führte, ist bis heute urst unklar.Fest steht nur, daß die Akte zwar 1987 geschlossen wurde, aber OL danach nicht einmal mehr einen Job als Heizer bekam.Und das war gut so. OL: "Von Debilen für Debilen", Verlag Jochen Enterprises, 19,90 DM.

RALPH GEISENHANSLÜKE

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