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Entschuldigung, darf ich mich kurz unterwerfen? Im Film „Fifty Shades of Grey“ spielt Dakota Johnson (links) die Studentin Anastasia Steele, die dem Unternehmer Christian Grey (Jamie Dornan) verfällt. Die Buch-Adaption von Sam Taylor-Johnson startet am Donnerstag in den Kinos, bereits am Mittwoch ist sie auf der Berlinale zu sehen.

© Universal Pictures/dpa

"Fifty Shades of Grey": Was werden sie zeigen?

Das Buch ist schlecht, aber ein Phänomen. Der Film könnte gut sein - wenn sich die Regisseurin gegen Autorin und Fans durchgesetzt hat. Am Donnerstag kommt „Fifty Shades of Grey“ in die Kinos. Der Hype ist schon da.

Welche Nümmerchen werden sie zeigen? Ungefähr zwölf stehen zur Auswahl, so oft haben Anastasia Steele und Christian Grey in „Fifty Shades of Grey“, dem ersten Teil von E. L. James’ Romantrilogie, miteinander Sex. Ganz sicher wird eine der „Vanilla“-Episoden darunter sein, wie nicht-sadomasochistische Praktiken auch über die Sadomaso-Szene hinaus genannt werden. Er oben, sie unten zum Beispiel. Ihren Orgasmus wird man, wie in Filmen üblich, an der ins Laken gekrallten Hand erkennen, seinen am plötzlich aufhörenden Stöhnen. Am Mittwoch läuft der Film als Special auf der Berlinale, ab Donnerstag in den normalen Kinos.

Eine der Foodsex-Episoden hat es garantiert ebenfalls ins Drehbuch geschafft: Christian, der einen ausgezeichneten Geschmack hat, lässt exquisiten Weißwein in Anastasias Mund tröpfeln, während in ihrem Bauchnabel Eiswürfel schmelzen. Eine Fahrstuhl-Vorspielszene ist definitiv dabei, das sah man bereits im bei YouTube bislang über 46 Millionen Mal angeklickten Trailer. Christian drängt Ana im Aufzug in die Ecke, dazu gurrt Beyoncé den Soundtrack.

Christian Grey peitscht wegen elender Vergangenheit

Es werden aber auch jene Nummern vorkommen, wegen denen es die stilistisch dürftige, dramaturgisch langatmige und intentional ambivalente Geschichte um die jungfräuliche Studentin, die sich in einen milliardenschweren, traumatisierten, sadomasochistisch veranlagten Beau verknallt, dahin geschafft hat, wo sie heute steht: in den Bücherregalen von über 70 Millionen Menschen größtenteils weiblichen Geschlechts. Jene Nummern, wegen derer Boulevardzeitungen und Frauenmagazine sich mit Schlagzeilen über die „neue Unterwerfungslust“ der Frauen übertrumpfen, von „Mommyporn“ und den angeblich durch die Bücher angekurbelten steigenden Absätzen an Liebeskugeln und plüschigen Handschellen reden. Wegen derer Feministinnen Frauen traurig bescheinigen, immer noch nach dem Märchenprinz zu suchen, der sie komplett dominiert. Und wegen derer Soziologen gar ein „fundamentales weibliches Bedürfnis nach Hierarchie und Ordnung“ bei den Leserinnen ausmachen, wie Eva Illouz in einem 2013 erschienenen Essay. In diesem befindet sie jedoch gleichzeitig, dass die grauen Schatten den „Triumph des weiblichen Blicks in der Kultur“ verkörpern.

Ihre Durchsetzungskraft ist gefragt: Regisseurin Sam Taylor-Wood.
Ihre Durchsetzungskraft ist gefragt: Regisseurin Sam Taylor-Wood.

© dpa

Nicht zuletzt sind da noch Nummern, die Sadomaso-Praktizierer mit gemischten Gefühlen beurteilen: Im „Guardian“ erklärte jüngst eine Dominatrix, dass der Roman die Freuden des Sadomasochismus außer Acht lasse, indem er Christian Grey eine elende Vergangenheit mitgibt, die nach E. L. James’ Logik automatisch und allein zum Wunsch nach Dominanz führe. Falsch dargestellt finden außerdem viele, dass Anastasia zu Beginn nicht nur von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, sondern kein originäres Interesse an Christians geliebtem Ausgepeitsche äußert. Sie lässt sich ausschließlich darauf ein, weil er es möchte.

Die geschäftstüchtige Bestseller-Autorin E.L. James

Aber ob der Film alle diese Nummern zeigen und dennoch alle möglichen Fallen umschiffen kann? Vielleicht! Denn wenn jemand aus einem erzählerisch derart dünnen Stoff – schließlich bleibt unterm Strich nur die „poor girl meets rich guy“-Lovestory mit ein paar spicy Details – theoretisch etwas anderes, Besseres generieren kann, dann ist das die Regisseurin Sam Taylor-Wood. Die furchtlose 47-jährige Britin, die jahrelang als bildende Künstlerin und Fotografin gearbeitet hat, könnte die Richtige sein, um einerseits die Konflikte plausibel und mit dem Wissen um die Brisanz eines reaktionären Frauenbilds zu erzählen, und es andererseits mit den Massen von Fans aufzunehmen, die genau wissen, wie der Film auszusehen hat. Und die auch ihre Castingideen lange vor den Verhandlungen zwischen der geschäftstüchtigen E. L. James und ihren Produzenten, Universal und Focus Features, bei denen es um fünf Millionen Dollar für die Rechte plus außerordentlich hohe Beteiligung am Gewinn ging, in unzähligen Kommentaren, Websites und Blogs ins Spiel postete.

Das im Netz und außerhalb betriebene Bohei um die Auswahl der Darsteller (Charlie Hunnam hatte erst kurz vor Drehbeginn den Weg zur männlichen Hauptrolle für das irische Unterwäschemodel Jamie Dornan freigemacht) hat dem Film jedenfalls bestimmt nicht geschadet. Dakota Johnson, Tochter von Melanie Griffith und Don Johnson und beiden herrlich aus dem Gesicht geschnitten, sah den Megahype als Chance und ließ sich als Anastasia verpflichten.

Sam-Taylor Johnson furchtlos

Es ist elementar, wer die Fantasie verkörpert. Die Grey-Story gehört den Fans, die es vom Blog zum Millionenseller katapultierten. Debütautorin James, deren Werk aus Fanfiction zur „Twilight“-Trilogie entstanden ist (was Spezialisten an der Konstellation der Haupt- und Nebenfiguren erkennen), ließ sich kaum dazu überreden, Details aus dem Buch zu ändern, und schickte E-Mails an den Kostümdesigner, in denen sie genau beschrieb, wie etwa ein Kleid Anastasias auszusehen habe. Sam Taylor-Johnson, die auch erst zum Film stieß, als Gespräche mit Susanne Bier, Gus van Sant und weiteren Regisseuren abgeschlossen waren, wies auf die Frage, ob sie keine Angst davor habe, sich mit einer derart riesigen Fanbasis abzugeben, auf ihren Film „Nowhere Boy“ hin: Der behandele schließlich das Leben eines der Beatles. Und die hätten ja auch nicht wenig Fans.

Zudem gibt es Beispiele für durchaus gelungene Hit-Adaptionen: Bei „Twilight“ hatte es zumindest für den ersten Teil recht gut geklappt. Unter weiblicher Regie und mit – neben Stephenie Meyer – einer weiblichen Ko-Drehbuchautorin entstand mit „Bis(s) zum Morgengrauen“ ein leidlich atmosphärischer, teenageraffiner Liebesfilm, dessen Hauptdarsteller inzwischen Megastars sind. Charlotte Roches erster, vor sieben Jahren erschienener Roman „Feuchtgebiete“, von dem sich in Deutschland rund zwei Millionen Exemplare verkauften, und der ebenfalls erfolgreich und sogar innovativ verfilmt wurde, veranschaulicht einen weiteren Aspekt, mit dem sich alles, was mit „Fifty Shades“ zu tun hat, herumschlagen muss: Den Leserzahlen zum Trotz behaupten in manchen Kreisen fast alle Menschen, sie hätten das blöde Buch selbstverständlich nicht gelesen. Dennoch scheinen, genau wie bei „Fifty Shades“, alle zu wissen, worum es im Buch geht – und dass es furchtbar geschrieben ist.

Wie sich aber nun selbst dem Film nähern? „Fifty Shades“ bockbeinig zu ignorieren, ist eine schlechte Lösung: Selbst bei Desinteresse kommt man schwer an den Reaktionen vorbei, wenn der Film nun während der Berlinale seine Premiere hat. Pressevorführungen gab es vorher nicht. Spannend bleibt, ob die Regisseurin Sam Taylor-Johnson angesichts der Vorgeschichte vor Kitsch und Kohle kapituliert – oder doch triumphiert hat.

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