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Sardischer Sommer. Vittoria (Sara Casu), Angelica (Alba Rohrwacher) und Tina (Valeria Golino).

© Vivo film/Colorado Film/Match Factory Productions/Bord Cadre Films/Valerio Bispuri

„Figlia Mia“ von Laura Bispuri im Wettbewerb: Ein Mädchen zwischen zwei Müttern

Große Gefühle vor sardischer Kulisse. Nach ihrem Debütfilm „Sworn Virgin“ kehrt Laura Bispuri mit „Figlia Mia“ zurück in den Berlinale-Wettbewerb.

Rote Haare und schneeweiße Haut sind sehr selten auf Sardinien. Vittoria (Sara Casu) sticht damit zugleich heraus und passt doch perfekt zu den Farben dieser staubig-karstigen Insel und auch zum Licht dieses heißen Sommers, in dem sie zehn Jahre alt werden wird.

Es ist ein Sommer der Veränderung – für sie, aber auch für Tina (Valeria Golino) und Umberto (Michele Carboni), die das Mädchen schon als Säugling zu sich genommen haben. Es weiß offenbar, dass die beiden nicht ihre leiblichen Eltern sind. Und auch den Kindern im Ort scheint es klar zu sein. Vittoria ist deshalb in einer Außenseiterinnenrolle. So zeigt Regisseurin Laura Bispuri sie in ihrem zweiten Langfilm „Figlia mia“ ohne Freundinnen und höchstens einmal am Rande einer Mädchengruppe.

Um so inniger ist das Verhältnis zu ihrer Mutter Tina, die sogar im gleichen Zimmer wie sie schläft. Diese liebt ihren kleinen Augenstern mit einer ruhigen, fast erdrückenden Intensität, in der immer auch Angst mitschwingt. Angst, dass Vittoria wieder aus ihrem Leben verschwinden könnte. Denn ihre leibliche Mutter Angelica (Alba Rohrwacher) wohnt nicht weit entfernt auf einem heruntergekommenen Hof. Tina unterstützt sie, bringt ihr immer wieder Lebensmittel – so als zahle sie eine Schuld ab. Angelica ist das komplette Gegenteil der umsichtigen, stabilen Tina: Nachts torkelt sie im Minikleid in der Dorfkneipe herum, schnorrt die Männer um Drinks an und bezahlt schon mal mit sexuellen Dienstleistungen. Sie ist eine Verlorene, aber im nüchternen Zustand auch eine ungemein charismatische, witzige Person. Jemand, von dem ein gefährliches Strahlen ausgeht.

Die Dynamik des Dramas ist relativ vorhersehbar

Ein Strahlen, das auch Vittoria betört, die sie kennen lernt, ohne zu wissen, dass sie ihre leibliche Mutter ist. Sie fühlt sich hingezogen zu dieser Frau mit den wilden blonden Haaren, die dieselbe weiße Haut hat wie sie, die ihr Ohrringe schenkt, sie mit fiesen Scherzen erschreckt und mit ihr tanzt.

Laura Bispuri, die mit Francesca Manieri auch das Drehbuch schrieb, erzählt „Figlia mia“ wie eine romantische Dreiecksgeschichte mit Vittoria in der Rolle der fremdgehenden Ehefrau, die Abenteuer und Abwechslung bei einer jüngeren Geliebten sucht. Tina steigert sich derweil in ihre Eifersucht hinein, versucht Angelica mit allen Mitteln von Vittoria fernzuhalten. Es gelingt Bispuri die drei Perspektiven gut auszubalancieren, alle drei sind mit ihrem Schmerz und ihrer unerfüllten Sehnsucht in gleichem Maße präsent. Die Dynamik dieses Dramas bleibt allerdings relativ vorhersehbar, rasen die beiden Erwachsenen doch immer schneller auf den Schienen entlang, die sie vor Jahren zwischen sich verlegt haben. „Vittoria gehört mir“, sagt Tina. „Weil ich sie dir gegeben habe“, entgegnet Angelica.

Dass die Backstory von „Figlia mia“ nur angedeutetet wird – sieht man ab von einem überflüssigen Rückblendenbild kurz nach Vittorias Geburt – gehört zu den Stärken des Films. Genau wie die Aufnahmen der sardischen Landschaft, die mit ihren zerklüften Felsen, den Abgründen und staubigen Pisten eine eindrucksvolle Kulisse für die Leidenschaft zwischen den Müttern und ihrer Tochter bildet. Dass Vittoria am Ende in ein vulvaförmiges Felsloch hinabsteigen muss – metaphorisch also ganz zurück an ihren Anfang geht, um sich dann quasi selbst neu zu gebären – ist dann aber etwas platt.

Rohrwacher überzeugt auch, wenn sie rumschreit

Insgesamt erreicht das Drama nicht die Kraft von Laura Bispuris Debütspielfilm „Sworn Virgin“, der vor drei Jahren ebenfalls im Wettbewerb Premiere hatte. Hauptdarstellerin Alba Rohrwacher spielte darin eine Frau, die sich in Mailand langsam von ihrer Vergangenheit in einem albanischen Bergdorf löste. Das stille Glühen, mit dem die 1979 geborene Italienerin diese Rolle verkörperte, brachte den ganzen Film zum Leuchten.

Die Figur der Angelica, die Laura Bispuri eigens für sie geschrieben hat, ist viel lauter und feuriger. Und Rohrwacher überzeugt auch, wenn sie herumschreit. Doch der berührendste Moment ist ein stiller: Als ihre Angelica mit Tina in der Kneipe sitzt und diese ihr sagt, dass sie sie gern hat, verwandelt sich die eben noch durch den Raum polternde Frau für eine Sekunde in das kleine Mädchen, das sie tief drin immer noch ist. Ein Kind, das von seiner Mutter nicht geliebt wurde und diese Liebe immer noch vermisst. Vittoria soll es einmal besser haben.

19.2., 12.30 Uhr (Friedrichstadt-Palast) u. 19 Uhr (Haus der Berliner Festspiele), 25.2., 12 Uhr (Cinemaxx 7)

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