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Kultur: Figur mit Struktur

MALEREI (2)

Den Zufall mag er nicht. Vor das Malen stellt Horst Bartnig das Kalkulieren, ein Zahlenvorspiel am Computer. Die Maschine berechnet, an welcher Stelle die senkrechten Linien, die seine Gemälde beherrschen, unterbrochen werden. Diese „Pausen“ im Kontinuum der akkurat und dicht nebeneinander gesetzten Vertikalen ergeben eine zweite, meist diagonale Struktur, die mit der ersten verwoben ist. Neue Unterbrechungen sind die Acrylbilder überschrieben, die Horst Bartnig eigens für die Räume des Berliner Landhauses Lemke gemalt hat, heute als Ausstellungsort Mies van der Rohe Haus benannt (Oberseestr. 60, bis 7. September, Di-Do 13-18, Sa/ So 14-18 Uhr). Der berühmte Architekt errichtete den schlichten Ziegelbau 1932. Nach dem Krieg diente er unter anderem als Stasi-Kantine, während der vom „Sozialistischen Realismus“ gänzlich unberührte Horst Bartnig im Ost-Berliner Atelier sein Malkonzept entwickelte.

Heute wird der 66-jährige Maler zu den bedeutendsten „Konkreten“ gezählt: Fläche, Linie, Farbe sind autonome Qualitäten, jeder Bezug zum Gegenständlichen ist aufgehoben. Mehr noch als mit der Trägheit des menschlichen Auges zu spielen (worin sich die Op-Art erschöpft), fordern Bartnigs Gemälde die Mobilität der Betrachter heraus. So setzt ein Gemälde in vielfach modulierten Orange- und Blaugrüntönen unseren Körper in Bewegung. Je nach Blickposition sehen wir ein in linearer Struktur und Farbcharakteristik verblüffend verwandeltes Bild. Die Perspektiven auf Horst Bartnigs Bilder sind unendlich.

Jens Hinrichsen

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