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Shopaholic

© dpa

Film: Das Prinzip Schnäppchen

Die Kaufsüchtigen: Die Komödie "Shopaholic" schwelgt im Luxus – mit einer Prise Konsumkritik.

Heute bleibt Becky standhaft. Mit starrem Blick hastet sie, so schnell es ihre hochhackigen Pumps erlauben, an der glitzernden Schaufensterfront vorbei, würdigt die eleganten Auslagen beinahe keines Blickes und hat es fast schon geschafft, als ihr eine Kleiderpuppe zuwinkt. Jetzt muss sie doch hinschauen: Die Puppe trägt einen bezaubernden, zarten langen Schal in einem unbeschreiblichen Grün, der fantastisch zu Beckys rotbraunen Haaren passen würde. So jedenfalls interpretiert Becky die Pantomime der Puppe, die, wenngleich augenlos, ihr jetzt sogar zuzwinkert. Becky stürzt in den Laden, zahlt und strahlt: Der Schal ist genau das, was ihr zum Glück noch fehlte.

Der durch Heiratskomödien wie „Die Hochzeit meines besten Freundes“ (1996) bekannt gewordene australische Regisseur P. J. Hogan hat auf der Basis von Sophie Kinsellas „Shopaholic“-Bestsellern eine Kaufrausch-Komödie inszeniert, die als Konsumkritik verstanden werden möchte, vielleicht. Ausstatter und Kostümbildner haben jedoch Orgien gefeiert beim Erschaffen von Interieurs und Outfits, beim Einrichten von Kaufhausetagen und Kleiderschränken und Einkleiden von Moderedakteurinnen und fashion victims. Entstanden ist ein knallbunter, in Maßen komischer und zunehmend hysterischer Film, der seine kaufsüchtige Heldin in die Krise und dann wieder herausführt, bis auf Weiteres jedenfalls.

Der Aufwand der Ausstatter aber lässt die opulente Eleganz von Malls und Edelläden, den coolen Stil der Moderedakteurin und ihrer Büroräume oder auch die zum Bersten mit Mädchen-Nippes angefüllten Zimmer von Becky und ihrer Freundin sehr viel attraktiver erscheinen als die Alternativen, wie sie etwa von Beckys Eltern verkörpert werden: Vorstadt-Idylle mit Wohnmobil, FleeceWeste und Flickendecke, und das auch noch schuldenfrei.

Es gibt ein paar Szenen von geradezu analytischer Hellsichtigkeit in diesem Film, denen jedoch durch Slapstick-Acts gleich wieder die Brisanz genommen wird: Da lässt die verschuldete Becky einen Betrag von 120 Dollar auf eine ganze Handvoll Kreditkarten verteilen, was der stoischen Verkäuferin nicht mal einen Blick auf die Kundin abnötigt. Da sucht und findet Mann, Mitglied einer Kaufsüchtigen-Selbsthilfegruppe, Erklärungen dafür, warum eine Armbanduhr für jeden Wochentag kein übertriebener Luxus sei. Und da stürzt eine wildgewordene Meute von Frauen durch die soeben geöffneten Seiteneingänge in ein Designer-Outlet, getrieben von Jagdlust, Kampfgeist und Adrenalin: Nur so lässt sich der rüde Umgang der Konkurrentinnen mit der Beute – Gucci-Stiefel und Prada-Täschchen zum Spottpreis – notdürftig erklären.

Solche Bilder sah man zuletzt, als es noch Saison-Schlussverkäufe und Grabbeltische gab, als Plastikgeld – „Zauberkarten“ nennt Becky Kreditkarten seit ihrer Kindheit – noch selten war und Schulden sich einfach nicht gehörten. Inzwischen ist Einkaufen auf Kredit zu einer der beliebtesten Freizeit- und Urlaubsbeschäftigungen avanciert, haben unzählige Sonderregeln die Rabattgesetze aufgeweicht, stehen mehr Quadratmeter Ladenfläche pro Einwohner als jemals zur Verfügung und haben sich Verwertungs- und Profitmaximierungssysteme auf globaler Ebene gebildet. Ich shoppe, also bin ich, scheint das Credo der Bewohner des reichen Nordens und Westens zu sein – und solange selbst der Ärmste von ihnen in einem Billigladen Kunststofframsch kaufen kann, der, von noch Ärmeren produziert, immer noch so viel Profit verspricht, dass sich der Transport aus Übersee lohnt, so lange darf er sich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft fühlen. Noch immer definieren sich unsere Gesellschaften über den Warenkonsum – und nicht über soziale Teilhabe, Engagement, Bürgersinn. „Shopaholic“ greift dieses Phänomen höchst vorsichtig auf, um dann allerdings ganz bestimmt nicht wirklich dran zu rühren. Von einer Komödie aber wäre das vielleicht auch zu viel verlangt.

In 18 Berliner Kinos; Originalversion im Cinestar Sony-Center

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