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Film: "Du hast keine Chance, also nutz' sie"

Ob blonder Punk oder Stasi-Offizier in Uniform - Kostja Ullmann ist ein wandelbarer Jungdarsteller. Nun hat er an der Seite von Heino Ferch "Das Wunder von Berlin" abgedreht, eine Geschichte über eine Familie in den letzten Tagen der DDR. Wir waren mit der Videokamera am letzten Drehtag dabei. Von Maike Redeker

Berlin - "Du hast keine Chance also nutz' sie", steht in weißen Blockbuchstaben hinten auf Marcos Lederjacke. Wie eine lederne Rüstung trägt sie der Punk, als könnten die Fragen der Stasi-Inquisitoren so an ihm abprallen. Doch der trotzige Anstrich trügt: Der Punk Marco Kaiser alias Kostja Ullmann sitzt zusammengesunken in dem winzigen, sterilen Raum mit den muffigen Büromöbeln, vor ihm saugt ein Mikrophon alles auf, was er auf die Fragen der Stasi-Offiziere und seines Vaters sagt. An der Wand wacht ein Konterfei von Erich Honecker streng über die Szene. Alles wirkt sehr authentisch, dank der Leistung der Schauspieler, aber auch dank der Räumlichkeiten - im alten Polizeipräsidium in der Nähe des Alexanderplatzes sieht noch alles so aus wie damals. Einige der Büros wurden bewusst im Zustand der letzten Tage der DDR erhalten. In den oberen Stockwerken stehen die Zellentüren weit offen, lassen den beklemmenden Gefangenenalltag erahnen.

"Der Knast hier in der Keibelstraße ist ein beliebtes Filmobjekt, weil hier alles so authentisch ist. Die Räume müssen nur geringfügig modifiziert werden, dass man da gut drehen kann." sagt Regisseur Roland Suso Richter. Er wurde 1961 geboren, im Jahr des Mauerbaus. Er fühlt sich deshalb mit der Geschichte der Berliner Mauer verbunden. Das Drehbuch fand er auf Anhieb spannend. "Es handelt die Zeitgeschichte ab, die die meisten von uns noch selbst erlebt haben." Beinahe 20 Jahre nach dem Mauerfall sei nun die Zeit gekommen, einen Film über dieser Thema zu drehen. "Kurz nach dem Mauerfall, war man zu gesättigt, die ganze Berichterstattung war emotional, aber man konnte sich nicht vorstellen, einen Film dazu zu machen. Inzwischen wird man schon etwas "ostalgisch", weiß schon gar nicht mehr, wo die Mauer verlief. Die Leute interessieren sich mittlerweile wieder dafür."

Film basiert auf wahrem Hintergrund

Das "Wunder von Berlin", produziert von TeamWorx im Auftrag des ZDF, entstand nach dem Drehbuch von Thomas Kirchner, das auf einem wahren Hintergrund basiert: Der junge Rebell Marco Kaiser begeistert sich für Punkmusik und passt damit so gar nicht in das Konzept des Arbeiter- und Bauernstaats. Auch sein Vater ist entsetzt über das Verhalten des Sprösslings. Da hilft nur eins: Marco soll Zucht und Ordnung lernen, und das geht am besten bei der NVA, der Nationalen Volksarmee der DDR. Nach anfänglichem Sträuben identifiziert sich der Rekrut immer mehr mit seinen neuen Aufgaben, während seine Mutter und seine Freundin sich in der Bürgerrechtsbewegung engagieren. Dann, Anfang November 1989, wird Marco für eine Geheimoperation mit seiner Einheit nach Berlin verlegt...

Nach genau sieben Wochen Drehzeit findet Kostja Ullmann es zwar schade, dass sich nun das Team auflöst und man sich erst mal nicht mehr sieht. "Aber es war auch eine anstrengene Zeit. Und ick freue mich jetzt auf das Ergebnis, wenn der Film dann im Fernsehen läuft", gesteht er. Der 23jährige Hamburger war zum Zeitpunkt des Mauerfalls erst fünf Jahre alt. Für die Rolle berlinert er aber inzwischen waschecht und hat sich in die historische Materie eingearbeitet. "Schade, dass wir in der Schule das Thema nicht behandelt haben. Es ist ja schließlich eines der jüngsten positiven Ereignisse in der deutschen Geschichte."

Die Grenze steht wieder - aber nur am Set

Besonders eindrucksvoll war für ihn die Szene, in der die Grenze wieder aufgebaut ist. "Alle schreien, dass sie über die Grenze wollen, und dann ist plötzlich die Mauer offen und alle laufen da durch - das war ein sehr emotionaler Moment, allein schon beim Drehen. Ich bin schon dankbar, dass ich einen Teil davon selbst erleben durfte."

Das Verhalten des Punks Marco sieht der Hauptdarsteller kritisch. "Ich selber bin wohl eher der NVA-Typ, der Perfektionist als der schlusige Punk", gesteht er und schüttelt die halblangen, blond gefärbten Fransen. "Auch wenn mein Vater da jetzt widersprechen würde. Der leibliche", fügt er grinsend hinzu. Mit seinem Filmvater Heino Ferch hatte er am Set viel Spaß. "In der Rolle mögen wir uns nicht besonders, aber es war einfach toll, mit ihm zusammenzuarbeiten. Er hat so viel Energie und Erfahrung. Da konnte ich viel abkucken." Ferch als ranghoher Stasi-Mitarbeiter ist mit akkuratem Seitenscheitel und goldgerahmter Brille kaum wieder zu erkennen.

Statisten in Uniform

Auch so mancher Statist erkennt sich selbst in seiner Rolle nicht wieder. Lutz Wasewitz steckt in der Uniform eines Stasi-Offiziers. "Ich bin eigentlich nicht so der Uniformtyp." Bisher hatte er auch wenig Gelegenheit, seine Rolle zu üben, schließlich ist er im wirklichen Leben Kunstmaler. "Wenn ich hier Befehle brüllen soll in gewissenlosem Ton, heißt es immer: Das ist zu freundlich. Im Nebenzimmer habe ich dann geübt. Ich sollte mir vorstellen, man hätte meine Frau blutig geschlagen. Und dann kam es schon", grinst er stolz. "Vielleicht hat man mich ausgesucht, weil ich so ein strenges Gesicht habe", und er mimt sein NVA-Gesicht. Dann muss dann wieder lachen und schwingt den Schlagstock kokett. "Eigentlich bin ich eher esoterisch gebildet und bemühe mich um positives Denken", grinst er. Und salutiert zum Abschied. (Von Maike Redeker)

Maike Redeker

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