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Zwiegespräch im Abendlicht. Matthew Morgan (Michael Caine) mit Pauline Laubie (Clémence Poésy).

©  Senator Film

Film "Mr. Morgan's Last Love": Der alte Mann und das Mädchen

Liebesgeschichten im Kino stecken schnell in der Klischee-Falle. Erst recht solche, wie sie Sandra Nettelbeck in "Mr. Morgan's Last Love" erzählt. Aber wenn Michael Caine den zarten, vereinsamten Witwer gibt?

Eigentlich ist die Geschichte vom alten, müden Mann, der durch die Bekanntschaft mit einer jungen Frau noch einmal neuen Lebensmut fasst, wo er sich doch schon beinahe aufgegeben hatte, furchtbar banal. Aber nicht falsch. Sie passiert täglich quer durch alle Gesellschaftsschichten, man kennt selbst solche Fälle, man liest darüber in den Klatschspalten, und sämtliche Implikationen solcher Beziehungen – Viagra, Macht, Geld, Vaterkomplex – werden in aller Öffentlichkeit diskutiert, ob es sich um Franz Müntefering, Silvio Berlusconi oder Johannes von Thurn und Taxis handelt. Alles, was es über solche Verhältnisse zu wissen gibt, glaubt man zu wissen, so genau, dass jede weitere Alter-Mann-und-junge-Frau-Geschichte einem wirklich auf die Nerven gehen kann.

Auf den ersten Blick also scheint es keine besonders gute Idee der Regisseurin Sandra Nettelbeck („Bella Martha“, 2001) zu sein, eine solche Geschichte noch ein weiteres Mal zu verfilmen, zumal in Paris, wo 1995 der große Claude Sautet sein thematisch verwandtes Abschiedswerk „Nelly und Monsieur Arnaud“ drehte. Tatsächlich aber bemüht sich „Mr. Morgan’s Last Love“ wenigstens darum, Klischees zu vermeiden und das über weite Strecken mit Erfolg. Zwar drängt sich das wunderschöne, fantastisch leuchtende herbstliche Paris als visuelle Metapher für den Plot auf; und dass der Titelheld plötzlich Licht und Luft in seine muffige, aber großbürgerliche Wohnung in einem der westlichen Arrondissements lässt, liegt ebenfalls nahe. Dennoch schafft es die Regisseurin, das Sujet mit neuen Aspekten zu versehen und es anrührend, aber nicht rührselig zu inszenieren.

Matthew Morgan ist ein Amerikaner in Paris, der in den vielen Jahren seines Aufenthaltes dort nie Französisch gelernt hat. Seine Frau besorgte das Sprechen für ihn, die gemeinsamen Freunde konnten Englisch – und Männer sind wohl sowieso eher erfreut, wenn sie nicht gar so viel kommunizieren müssen. Diese Konstellation erweist sich zwangsläufig als fatal, als die Frau stirbt, die sein Kontakt zum wirklichen Leben war – die sprachliche Isolation aber ist nur einer der Gründe für Morgans entsetzliche Einsamkeit. Das Leben überhaupt bewältigt er nur durch Routinen, seit ihrem Tod vor drei Jahren. Aus der Trauer ist er nicht herausgekommen.

Eine Zufallsbegegnung mit einer Tanzlehrerin im Bus, ein kleiner Wortwechsel auf Englisch genügen schon, um Morgan nach einer Wiederbegegnung suchen zu lassen. Aus dem alten Herrn wird plötzlich ein pubertierender Jüngling, und – gelernt ist gelernt – die Anknüpfung ins Leben findet tatsächlich statt. Die Beziehung, die sich zwischen den beiden entwickelt, ist von gegenseitiger Achtung und Anteilnahme geprägt: Morgan, den seine eigenen Kinder nicht lieben, weil sie sich von ihm vernachlässigt fühlten, hat in den Augen der vaterlos aufgewachsenen Pauline (Clémence Poésy) gerade so viele väterliche Qualitäten, wie sie ohne Angst vor Zweideutigkeiten in Anspruch nehmen kann. Die beiden zeigen einander Lieblingsorte und erzählen Lebens- und Liebesgeschichten, was wechselseitig ungeheuer beruhigend wirkt.

Als Matthews Kinder auftauchen und seine Beziehung zu Pauline abscheulich finden, auch weil sie um ihr Erbe fürchten, sagt der Sohn zu seinem Vater: „Du bist nicht der Einzige, der um Mutter trauert.“ Und auf einmal wird klar, was zwischen Vater und Sohn schiefgelaufen ist. An solch kleinen hellsichtigen Momenten ist dieser Film reich. Und in ihnen zeigt Michael Caine, der in diesem Jahr 80 geworden ist, die ganze Milde und Freundlichkeit und Klugheit und Zurückhaltung, zu der ältere Herren nun mal fähig sind, wenn sie nicht gerade Silvio Berlusconi heißen. Oder so ähnlich.

Adria, Blauer Stern Pankow, Cinemaxx, Eva, Filmkunst 66, Kulturbrauerei

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