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Film: Sister Acts

Frauenpower gegen Rassismus: Das Sixties-Melodram „The Help“. Die Verfilmung von Kathryn Stocketts Bestseller über eine schwarze Nanny wurde im Sommer ein Überraschungshit in den USA.

Wenn Minny, die schwarze Nanny, die Küche betritt, vibriert die Luft vor Energie. Unverwüstlich ist die kleine dicke Frau, patent, komisch, schlagfertig, die beste Kuchenbäckerin der Stadt. Nach ihrer Entlassung backt sie einen besonders raffinierten Schokokuchen: die süßeste Rache an ihrer rassistischen Dienstherrin seit Erfindung des Ku-Klux-Klans. Deren gellender Schrei, als sie die Wahrheit über die Zutaten erfährt, hallt in Jackson, Mississippi, wohl heute noch nach.

Ein Südstaaten-Idyll, Anfang der sechziger Jahre. Bunte Häuser, adrette Vorgärten, Bilderbuch-Amerika. Als es nach der Ermordung des schwarzen Bürgerrechtlers Medgar Evers zu Unruhen kommt, müssen die schwarzen Frauen als Erste den Bus verlassen. Keiner schützt sie auf ihrem langen nächtlichen Heimweg. So war das damals in den USA: Schon die Forderung nach Rassengleichheit wurde mit Gefängnis geahndet. Und schwarze Haushaltshilfen waren bessere Sklaven.

Wenn es nicht um ein so ernstes Thema ginge, könnte man „The Help“ als „Desperate Housewives“-Version für Sixties-Fans empfehlen. Ob beim Bridge oder beim Charity-Treff, die Hausfrauen des Städtchens tragen wunderbar hochtoupierte Dauerwellen, schrille Brillen und hübsche Petticoat-Kreationen, während sie klatschen und keifen, besonders gern natürlich über ihr schwarzes Dienstpersonal. Das serviert lächelnd Häppchen, Aspik-Salate oder gefüllte Eier, kümmert sich um die verzogenen Gören und hört auch dann nicht zu lächeln auf, als die Ladies über separate Toiletten fürs farbige Personal fachsimpeln. Nicht auszudenken, wenn wir auch noch deren Krankheiten kriegen!

Die Verfilmung von Kathryn Stocketts Bestseller wurde im Sommer ein Überraschungshit in den USA; mit einem Einspiel von knapp 170 Millionen Dollar lag er zeitweise mit Popcorn-Spektakeln wie „Planet der Affen. Prevolution“ gleichauf. Wegen des Gratismuts, den man braucht, um in der Ära Obama die Rassentrennung vor 50 Jahren anzuprangern? Ein FeelGood-Movie ist „The Help“ allemal. Die temperamentvolle, eigensinnige Skeeter (Emma Stone) heuert nach dem College beim Lokalblatt für die Hausfrauenkolumne an und bittet die Nannies um Tipps. Dabei stellt sie fest, wie mies all die schwarzen Frauen behandelt werden und will ein Buch darüber schreiben. Zögernd fangen die Frauen an, ihre Geschichten zu erzählen: erschütternde Chroniken fortgesetzter Leibeigenschaften. Skeeters Buch macht Skandal – im Film löst er die Bürgerrechtsbewegung in Mississippi aus, kleine Geschichtsklitterung.

Tate Taylor, der bislang unbekannte Regisseur, ist ein Jugendfreund der Buchautorin Stockett, beide wuchsen in Jackson auf. Der Erfolg seines gediegenen Melodrams verdankt sich vor allem den Darstellerinnen. Viola Davis erobert als tapfere Aibeleen – Skeeters Kronzeugin – kraft ihrer Ausstrahlung die Herzen des Publikums, Octavia Spencer alias Minny ist eine Wucht, Sissy Spacek spielt als verwirrte Alte die jüngeren Spießerinnen an die Wand, und Jessica Chastain (die Rothaarige aus „Tree of Life“) gibt die sympathische Exzentrikerin.

Die schwarzen Nannies, die weißen Außenseiterinnen: Aufstand der Duldsamen im Verbund mit den Aufmüpfigen. Die Feier der Frauenpower in „The Help“ erinnert an jene kurze Frauenfilm-Welle Anfang der neunziger Jahre, in der Erfolgsfilme wie „Grüne Tomaten“, „Eine Klasse für sich“ oder „Sister Act“ weibliche Selbstermächtigung und Solidarität propagierten. Damals war es der Kampf der Geschlechter, der mit den Waffen der Frauen ausgefochten wurde, als Materialschlacht mit Lebensmitteln – in „Grüne Tomaten“ war es Schokosauce statt -kuchen – oder in Form von stimmgewaltigen Gospelsongs unter der Fuchtel von Whoopi Goldberg. So wie dort eine drastische Warnung an die Männer erging, sich gefälligst anständig zu benehmen, wendet sich „The Help“ an die bornierten Weißen, die womöglich immer noch nicht begriffen haben, dass Rassismus sich ein für allemal verbietet.

Ein sehr schlichtes Weltbild: Hier die bösen Hysterikerinnen mit den schrillen Brillen, da die Gutmenschen. Schillernde Charaktere kennt dieser Film nicht.

Ab Donnerstag in 10 Berliner Kinos. OV: Cinestar Sony-Center. OmU: Filmkunst 66

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