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Geschmackssache. Vivi (Britta Hammelstein) mit Freund (Golo Euler).

©  DCM

Filmdebüt "Ferien": Nordsee ist Wortsee

Raus aus der Krise: Das Spielfilmdebüt „Ferien“ von Bernadette Knoller überzeugt mit staubtrockener Lakonie und einer unaufgeregten Inszenierung.

Nichts wollen. Genauer: nichts mehr wollen. In Ruhe gelassen werden. Und zwar bis auf Weiteres. Das ist es, was Vivian Baumann will.

Klar wird ihr das im Gerichtssaal, bei laufender Verhandlung, wo die junge Staatsanwältin einfach aufhört, ihres Amtes zu walten, und nichts mehr sagt. Schweigen, heulen, dysfunktional sein, Freund, Mutter, Vater irritieren, das ist ab sofort ihre Verweigerungsstrategie. Bis der um ihren seelischen Wiederaufbau bemühte Vater (Detlev Buck als bemühter Marketingagentur-Heini) sie kurzerhand auf eine namenlose Nordseeinsel verschifft.

Die scheint wie geschaffen für eine Auszeit. Die Insulaner, die Vivi kennenlernt, machen irgendwie auch alle Urlaub vom Ich. Die alleinerziehende Biene (Inga Busch), bei der sie eine Dachklause bezieht, lässt kurzerhand ihren 13-jährigen Sohn Eric (Nachwuchsentdeckung: Jerome Hirthammer) allein und verreist. Ladenbesitzer Otto (angemessen verschattet: Schriftsteller Ferdinand von Schirach), bei dem Vivi als Aushilfe anheuert, steht permanent neben sich. Bloß gut, dass Hauptdarstellerin Britta Hammelstein in ihrer verheulten Verzweiflung und Ratlosigkeit so wahrhaftig rüberkommt.

Eine ganze Menge kauziger Charaktere

Bernadette Knollers Spielfilmdebüt ist zugleich ihre Abschlussarbeit an der Filmuniversität Konrad Wolf in Babelsberg. Und, ja, mit einer unbekümmert holpernden, von ruppigen Schnitten geprägten Erzählweise und der staubtrockenen Lakonie weckt er schöne Hoffnungen auf eine weitere Regisseurinnenkarriere. Auch die unaufgeregte Inszenierung provinzieller Leere gefällt und erinnert nicht von ungefähr an die furiosen Frühwerke ihres Vaters Detlev Buck.

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Trotzdem lässt die schiere Menge kauziger Charaktere das Drehbuch mächtig rascheln. Und Einlagen wie die nächtlichen Ausbrüche weiblicher Aggression in unschuldigen Blumenrabatten oder der komödiantische Einsatz einer toten Taube, die mitten in Vivis Trennungsgespräch mit ihrem Freund (Golo Euler) mal eben vom Himmel auf den Waffelteller klatscht, wirken mächtig plakativ. Ein touristisch bestens erschlossenes, gänzlich harmloses Terrain wie eine Nordseeinsel zum Universum der Seltsamkeiten umzudeuten, ist so einfach nicht. Auch wenn das Drama eines gestrandeten Wals vom Thema Tod und Vergänglichkeit spricht. Zumal bereits an der Exposition und überhaupt dem Tonfall ablesbar ist, dass die Tragikomödie „Ferien“ nur mit einer Krise beginnt, um mit der Überwindung derselben zu enden.

Umso überraschender, welch stille, schöne Schlussszene der Regisseurin und ihrer die Handkamera sonst eher unruhig führenden Kamerafrau Anja Läufer dann gelingt. Statt Drastik regiert reine Poesie, als sich die wieder mit dem Leben versöhnte Heldin Vivian und ihre Seelenverwandten unter hohem Himmel auf dem weiten Strand versammeln. Der Wal zumindest hat seine Ruhe.

Filmkunst 66, Kulturbrauerei

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