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Suki Waterhouse in "The Bad Batch".

© Festival

Filmfest Venedig (6): Jäger und Beute

Ein Western mit sieben Helden, ein Endzeitthriller in der Wüste und eine Maupassant-Verfilmung: Beim Filmfestival Venedig treffen sich Hoch- und Popkultur.

Die Wüste ist ein beliebter Schauplatz dieses Jahr in Venedig. Chilenische Wüste, Westernwüste, Texaswüste – unwirtliche, endlose Weiten, bis zum Abschlussfilm des Festivals am Sonnabend, dem Remake von „Die glorreichen Sieben“ mit Denzel Washington, Ethan Hawke, Peter Sarsgaard und etlichen weiteren Stars (deutscher Filmstart: 22. September).

Auch die einzige Regisseurin im Wettbewerb, die iranischstämmige US-Amerikanerin Ana Lily Amirpour, hat ihren Thriller „The Bad Batch“ in der texanischen Einöde angesiedelt, einem stacheldrahtumwehrten, von Sandstürmen heimgesuchten exterritorialen Gelände, halb Müllhalde, halb Flugzeugfriedhof. Hier landet der menschliche Ausschuss: Kriminelle, Taugenichtse, illegale Migranten. Wer überleben will, muss sich von seinesgleichen ernähren. Es sei denn, man entkommt in die „Comfort“-Zone, eine hippieske Enklave, deren Bewohner sich auf den Verzehr von Nudeln und Kleintieren beschränken. Das Wüstenfort erweist sich als fantastische Zivilisationsresteverwertung samt Imbissbuden, Popkonzert, Dorfnarr (Jim Carrey) und einem Sektenguru (Keanu Reeves), der schöne junge Frauen schwängert (für frisches, zartes Fleisch?) und die Community mit Drogen versorgt.

Als die junge, gleich zu Beginn um einen Arm und ein Bein amputierte Heldin (Suki Waterhouse) auf einen mexikanischen Outcast und dessen Tochter trifft, kippt die Kannibalen-Dystopie in eine etwas andere Lovestory um. Die Beute und der Jäger, die überlebenswütige Blondine und der Muskelprotz-Kannibale: Multikulti in denkbar extremster Form. Und ein wilder Genremix, auch das häuft sich am Lido.

Stéphane Brizé nähert sich in seiner Maupassant-Adaption „Une vie“ wiederum einer Frau, die in der Männerwelt des frühen 19. Jahrhunderts zu überleben versucht. Jeanne le Perthuis des Vauds (Judith Chemla), ein zartes, unbeschwertes Mädchen mit freundlichen Eltern, heiratet einen benachbarten Vicomte. Aber das kleine Glück an der Küste der Normandie ist schnell dahin. Der Mann betrügt sie, der Pfarrer zwingt die Wahrheit ans Licht, die Liebsten sterben, der Sohn verprasst das Vermögen, es ist die stille Tragödie einer Desillusionierung. Jeanne beharrt dennoch auf ihrem Lebenstraum, sie verweigert den Realitätssinn. Brizé umgibt sie mit leichten, hellen Bildern, mit Momenten der Schönheit, gesellt ihr eine liebevolle Kamera bei. Wenigstens er bleibt ihrem Traum treu. Der Trubel vor dem Palazzo del Cinema erscheint einem hässlich danach.

An diesem Mittwoch läuft „Jackie“ von Pablo Larraín am Lido, Natalie Portman spielt Jackie Kennedy. Im „Corriere della Sera“ erinnert sich eine Freundin an Jackie, die 82-jährige Marina Cicogna, Enkelin des Festivalgründers Giuseppe Volpi und Tochter des „Fahrraddiebe“Produzenten. Jackie habe ihr Schicksal stets selbst in die Hand genommen und nicht gezögert, ihrer Schwester Lee den Lover wegzuschnappen, eben JFK. Sie sei ein männlicher Typ gewesen, ganz anders als die delikate Natalie Portman.

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