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Cooler Killer, ängstliche Freundin. Das Musical "Ammore e Malavita" macht sich einen Spaß aus Stereotypen.

© Filmfestspiele Venedig

Filmfestspiele von Venedig: Amore, amore

Italien im Wettbewerb: Das Mafia-Musical „Ammore e Malavita“ spielt gekonnt mit Gangsterklischees, das Drama „Una famiglia“ bleibt unentschlossen.

Internationale Filmfestivals tun gerne etwas für die einheimische Branche. Die französische Filmindustrie tritt traditionell in Cannes selbstbewusst auf, die Berlinale ist undenkbar ohne deutsche Bären-Kandidaten. Venedig veranstaltete vor Zeiten eigens einen nationalen Wettbewerb neben dem Löwen-Rennen und bewirbt sich diesmal mit vier Italienern um den Leone d’Oro. Nach Paolo Virzìs anrührendem, aber etwas gefälligem US-Roadmovie „The Leisure Seeker“ sind drei weitere, originär nationale Werke programmiert. Filme, die es einem leicht machen, das eigene cineastische Ressentiment zu pflegen, dem zufolge der Neorealismus und das Autorenkino à la Nanni Moretti das Feld weitgehend der Mafia-Action mit mehr oder weniger sozialkritischem Touch überlassen hat, von gelegentlichen Politsatiren abgesehen.

Während das Gedrängel am Lido allmählich einer entspannteren Gangart weicht, weil die US-Stars abgereist sind, tritt Sebastiano Riso mit „Una famiglia“ im Wettbewerb an. Es geht um Kinderhandel, um Maria (Micaela Ramazotti), die für Vincent (Patrick Bruel) Babys austrägt, der diese wiederum an reiche Paare verkauft. Schwule Paare zahlen besonders viel. Eine brutale, korrupte Schattenwirtschaft, an der auch Ärzte verdienen, ein unentschlossener Film, der Vincents Machismo reproduziert, statt ihn zu reflektieren, und keine Bilder findet für Marias somnambule Verzweiflung.

Ein cleveres Spiel mit dem Gangstergenre

Das Mafia-Musical „Ammore e Malavita“ macht sich dagegen einen Spaß aus den Stereotypen. Ihr wollt kaltblütige Killer, sexy Mädchen und als Schauplatz Scampia, das Neubaughetto in Neapel aus der TV-Serie „Gomorrha“? Bitte sehr. Die Regiebrüder Antonio und Marco Manetti haben ein B-Movie mit knalligen Songeinlagen und kurzweiligen Amateurchoreografien gedreht, in dem ein Guide Scampia als Sehenswürdigkeit anpreist und eine Amerikanerin von Moped-Taschendieben beklaut wird, während die unter Hausarrest stehenden Kleinkriminellen im Takt von den Balkonen winken.

Gleich zu Beginn schmettert der Mafiaboss bei der eigenen Beerdigung ein Lamento aus dem Sarg, und um ein Haar täuscht der derbe Humor darüber hinweg, wie clever „Ammore e Malavita“ mit dem Gangstergenre spielt. Nicht die Typen, sondern Donna Maria (Claudia Gerini) treibt den Bandenkriegs- und Freundesverrats-Plot an, ihre gefährlichste Gegnerin ist eine Krankenschwester. Die besten Tricks klauen sie aus Bond-Filmen, und die Liebe trotzt dem schlimmsten Kugelhagel. Nach all den Superstars am Lido tut es gut, andere Helden auf der Leinwand zu sehen. Die Dicken, die Hässlichen, die billig Wasserstoffblondierten, die Möchtegern- Coolen. Leute wie du und ich.

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