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Maria (Katja Riemann) und Jade (Ingrid Bolsø Berdal) wurden beide vom selben Mann verlassen.

© Martin Menke / Warner

Filmkomödie "Forget about Nick": WG wider Willen

In ihrer ersten englischsprachigen Komödie „Forget about Nick“ sperrt Margarethe von Trotta zwei Frauen in ein New Yorker Loft.

Verdient hätte es Nick, der redselige kleine Silverager, dass ihn seine Ex-Gattinnen vergessen. Aber Margarethe von Trottas „Forget about Nick“ greift das Naheliegende auf: Die Kränkung der Frauen sitzt tief, das braucht Zeit und bringt Chaos, puren Komödienstoff also, falls die Heldinnen gewinnen.

Da ist Nicks Methode, sich per Handy- Botschaft von seiner aktuellen Lebensabschnittspartnerin Jade zu verabschieden und sie gegen eine sprichwörtliche Tochter/Geliebte auszutauschen. Da ist die bittere Pille für Jade, genau wie Maria, Nicks erste verlassene Ehefrau, mit 40 noch einmal neu anfangen zu müssen – Streit um den finanziellen Ausgleich nach zehn Jahren ehelicher Rückenstärkung für den Großverdiener inklusive.

Rache ist süß, dachten Bette Midler, Goldie Hawn und Diane Keaton in „Der Club der Teufelinnen“ (1996) und schickten ihre Männer in die Wüste. Viel geändert hat sich seither nicht an dem Phänomen, dass Männer ihr Älterwerden gern vampiristisch mit jungen Frauen kaschieren. Auch „Forget about Nick“, Margarethe von Trottas erste englischsprachige Komödie, adressiert ein Publikum diesseits und jenseits des Atlantiks, das die Konstellation lieber amüsiert im Kino genießt, als eigene Wunden verschmerzen zu müssen. Auch Nicks verlassene Frauen wollen wie die Teufelinnen den Stolz nicht verlieren, doch im Drehbuch der New Yorker Autorin Pam Katz sind gleichgesinnte Freundinnen nicht in Sicht. Vom gleichen Mann betrogen worden zu sein, lässt die Rivalität sogar explodieren.

Nick überschreibt den Frauen je die Hälfte des Lofts

Jade, im 40. Lebensjahr im Begriff, den Marktwert ihrer erfolgreichen Modelkarriere in ein neu gegründetes Modelabel zu investieren, weint sich die Augen aus, als sie Nicks Trennungsbotschaft abhört, steigt anderntags jedoch in eins von ihren streng gestylten schwarz-weißen Hosen-Blusen-Outfits, nimmt den goldfarbenen Aufzug ihrer New Yorker Loft-Wohnung und macht sich auf den Weg zu der schicken Hinterhofadresse, wo ihr vertrautes Team auf Anweisungen für die erste Kleiderkollektion wartet. Die norwegische Schauspielerin Ingrid Bolsø Berdal, hierzulande als Hexe in der Fantasy-Version von „Hänsel & Gretel“ bekannt, ist in „Forget about Nick“ das Muster einer kalten Geschäftsfrau, überperfekten Selbstoptimierungsmeisterin und trotzdem leidvoll Liebenden.

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Jade bewohnt ein Apartment mit Freitreppe, viel Glas und monochromem Meublement der edel kargen Sorte. Dieses Reich, groß wie eine Breitwandbühne und die Herzkammer des anbrechenden Streits, betritt Maria, Jades Vorgängerin, mit dem fassungslosen Blick einer Frau, die ihr altes Zuhause nicht wiedererkennt. Die Wohnung hoch oben in einem ehemaligen Fabrikgebäude war der Ort, an dem sie mit Nick und ihrer Tochter lebte, bevor sie wegen Jade nach Deutschland zurückkehrte. Jetzt überrascht Nick die Frauen damit, je die Hälfte der Wohnung an seine Ex-Ex überschrieben zu haben, nebenbei steht infrage, ob er die versprochenen Investitionen in Jades Firma tätigt. Die scheinbar abgeklärte Maria kehrt in ihre völlig umgekrempelte alte Wohnung zurück und stößt dort auf eine um ihr Ego, ihre Zukunft und ihren Lebensstil ringende Mitbewohnerin.

Maria wirf Jades Diät-Fraß aus dem Kühlschrank

Katja Riemann verkörpert in ihrem vierten Trotta-Film auf den ersten Blick die „Andere“, eine Frau mit Erfahrung, die sich nicht noch einmal die Butter vom Brot nehmen lassen will. Maria ist in einen Winter-Look aus bunt zusammengesuchten Klamotten gekleidet, trägt ihr langes Haar hochgesteckt, sorgt für Wohnlichkeit und erschließt sich das verschneite New York zu Fuß. Sie strahlt die Selbstsicherheit einer Single-Frau aus, in deren Leben gutes Essen, schöne Bücher, Blumen, nicht zuletzt ihre Tochter und der Enkelsohn größere Bedeutung besitzen als Geld und Karriere. Wenn Maria feststellt, dass die vertrauten Räume einem Showroom der Upperclass gewichen sind, ist der Frontverlauf zwischen den scharf kontrastierenden Lebensentwürfen klar. Sie wirft Jades Diät-Fraß aus dem Kühlschrank, tauscht ihn gegen Gemüse und einen selbstgebackenen Kuchen und demonstriert mit jeder Aktion, dass sie das wiedergewonnene Apartment nicht verlassen will.

Jade dagegen bietet Überredungskünste auf, schleppt einen Makler ins Haus und stört Marias Job, jungen Leuten die Gedichte von Ingeborg Bachmann zu erklären. Sie will die Wohnung zu Geld machen, um ihr Label zu retten, vielleicht auch, um Nick mit dem Erfolg zurückzugewinnen.

Seitenhiebe auf den Immobilienmarkt von New York

Neu an der auch für das Theater geeigneten Komödie ist, dass der titelgebende Mann aus dem Mittelpunkt verschwindet. Sein Status als finanziell überlegener Machtmensch schmilzt dahin. Letztlich ist dieser von Haluk Bilginer gespielte Nick bloß ein Schwadroneur. Es geht in „Forget about Nick“ um die Frauen, um den Clash ihrer unterschiedlichen Lebensentwürfe und den bösen Witz, wie beide mit dem Stigma des Älterwerdens fertig zu werden versuchen. Die Kamera zeigt Katja Riemann und Ingrid Bolsø Berdal in Großaufnahmen und gibt der Wohnung in vielen Totalen die Aura eines Kampfplatzes. Helmut Zerletts jazzige Musik bringt den Krieg um das Apartment und die komischen Seitenhiebe auf den Immobilienmarkt New Yorks manchmal besser in Fluss als die Montage.

Heftig wird es, als Marias Tochter samt kleinem Enkelsohn zu Besuch kommt und Maria die unterschätzte Kinderbetreuung leistet, damit ihre Tochter auf Jades Angebot eingehen kann, ein Parfüm zu entwickeln. Für Obsession ist es zu spät, heißt es einmal, aber der Duft von Jades Label Feminista liegt in der Luft. Was immer das ist, Mode für die hart arbeitende New Yorkerin von heute, im Beifall für die schmalen Mädchen auf dem Laufsteg finden alle zusammen.
Cinema am Walther-Schreiber-Platz, Cinemaxx Potsdamer Platz, Filmkunst 66, Kant Kino, Kino in der Kulturbrauerei, Colosseum

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