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Filmkritik: Splice: Mein Kind, das Monster

Forscher gründen eine Familie und erleben nicht nur eine Katastrophe: Vincenzo Natalis Science-Fiction-Thriller „Splice“ über Genforschung läuft in 15 Berliner Kinos.

Die beiden Gen-Forscher Clive (Adrien Brody) und Elsa (Sarah Polley) sind die Popstars ihrer Zunft. Extrem ehrgeizig, ziemlich erfolgreich und mit einem eher entspannten Verhältnis zu den moralischen Fragen ihres Berufs, säumen sie die Titelseiten der Magazine. Für einen Pharma-Konzern brüten sie wurmartige Fleisch-Haut-Klumpen aus, die später einmal wichtige Stoffe für die Medizin produzieren sollen.

Als man ihnen ihre Spielzeuge wegzunehmen droht, versuchen sie über Nacht schnell noch das Verbotene. Sie versetzen ihre Zucht mit menschlicher DNA und schaffen so neues Leben: eine Kreuzung verschiedener Spezies, halb Mensch, halb Tier. Clive und Elsa beschließen, das Monster heimlich aufzuziehen, wie ein eigenes Kind. Sie ahnen nicht, worauf sie sich da einlassen.

Regisseur Vincenzo Natali hat bereits mit „Cube“ und „Cypher“ gezeigt, wie man auch im Genrekino von ausgetretenen Pfaden abweichen kann. Mit „Splice“ macht der kanadische Filmemacher den Thriller noch einmal zur Metapher. Es sind allerdings nicht Fragen der Moral, die Natali interessieren, nicht die Folgen des naturwidrigen Tuns für Schöpfung oder Menschheit, sondern das Problem der Verantwortung – und zwar für das Ding, das man da in die Welt setzt. Natali bettet den Frevel deshalb konsequent in eine Familiengeschichte ein: Die Frankensteins werden bei ihm zum Elternpaar in einem ödipalen Katastrophenfilm. „Splice“ ist ein Kammerspiel im Labor, ein Sci-Fi-Gentech-Horrorthriller-Inzest-Familienpsychodrama. Und sogar spannend.

Das Problem dabei ist nicht, dass die teils haarsträubenden Entwicklungen vom Zuschauer verlangen, dass man weite Wege geht mit diesem Film. Denn bei der Wahl der Darsteller hatte Vincenzo Natali eine glückliche Hand: Sarah Polley und vor allem Adrien Brody sind Schauspieler, denen man so ziemlich alles abnimmt und die dabei stets glaubwürdig und einnehmend wirken, selbst wenn ihre Figuren hier zwei ziemlich abstoßende Gestalten sind. Und Delphine Chaneac als Spezies-Bastard „Dren“ (rückwärts für Nerd) gelingt unter Maske und Digitaleffekten etwas Schwieriges: Sie macht das Monster menschlich. Und sexy.

Das Problem ist vielmehr, dass die gesamte Entwicklungsgeschichte einer Familie in nur eine Filmstory gezwängt wird, in einen Film zudem, der ja auch noch Thriller- und Horror-Elemente unterzubringen hat. Das familiäre Beziehungsgefüge, die Verwirrung der Gefühle bräuchten aber mehr Raum, um sich entwickeln zu können. So wirkt vieles forciert und unnatürlich, man hört quasi im Hintergrund stets die Erzählmechanik rattern: Macht voran! Wir müssen auch noch das Vater-Tochter-Ding unterbringen. Und das Horror-Finale muss ebenfalls noch passen! So bleibt zu wenig Raum für Intimität. „Splice“ müsste eigentlich eine noch viel traurigere Geschichte sein.

Es ist dem Film anzumerken, dass Vincenzo Natali, der meist mit kleineren Budgets arbeitet, sich bewusst vorgenommen hat, ein für seine Verhältnisse eher konventionelles Werk abzuliefern, jedenfalls was den Aufbau und die Bildsprache betrifft. Diese Beschränkung ist vielleicht notwendig bei einer so ungewöhnlichen Geschichte, beraubt den Regisseur aber auch jener Gestaltungsfreiheit, die er sich in seinen anderen Filmen herausnimmt und die „Splice“ an mancher Stelle gut getan hätte. Doch die Konsequenz, mit der er das Drama fortspinnt, ohne Furcht vor dem Grotesken und Peinlichen – davor kann man nur den Hut ziehen.

In 15 Berliner Kinos. OV Cinestar Sony-Center

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