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Psycho-Onkel (André Wilms) und Gaunerbube (Georg Friedrich) in "Über-Ich und Du"

© Komplizen Film

Filmkritik: "Über-Ich und Du": Professor Lustig

Die Komödie „Über-Ich und Du“ bringt einen kauzigen Psychologen und einen tollpatschigen Gauner zusammen - und zeigt das Talent des Regisseurs Benjamin Heisenberg. Der wurde lange nur auf seinen berühmten Großvater reduziert. Aber das hat sich jetzt Dank es eines Drogen kochenden Chemielehrers geändert.

Die Wahrheit ist: Er wollte längst eine Komödie gedreht haben. Bereits sein 2005er Langfilmdebüt „Der Schläfer“ sollte eine werden. Nach der ersten Drehbuchfassung entschied Benjamin Heisenberg, dass die Geschichte des Wissenschaftlers, der sich mit dem Verfassungsschutz einlässt und seinen Kollegen verrät, doch besser als düsteres Drama funktioniere.

Jetzt also, im dritten Anlauf, „Über-Ich und Du“: Ein tollpatschiger, unverfrorener Gauner platzt in das Leben eines deutlich älteren Psychologen, der zwar arg renommiert, aber auch leicht dement und kauzig daherkommt. Der Psycho-Onkel beschließt, den Gauner zum Studienobjekt zu machen. Der Gauner beschließt, dem Psycho-Onkel dessen Bücher zu stehlen. Beste Startbedingungen für eine abenteuerliche Freundschaft.

Der Regisseur nennt sein Werk eine „Buddy-Komödie voller Verrücktheiten“. Das aber ist missverständlich, denn Trashprodukte wie die „Hangover“-Trilogie haben in diesem Bereich zu viel verbrannte Erde hinterlassen. „Über-Ich und Du“ ist in der Tat sehr komisch geraten, bloß eben auf eine reizende, charmant detailverliebte Art.

Viele biografische Elemente enthält der Film: Ko-Autor Josef Lechner hat länger mit einem alten Mann zusammengelebt. Ein Quell seltsamer Begebenheiten, sagt Heisenberg im Interview. Anderes stammt aus seiner eigenen Vergangenheit: zum Beispiel die Sitte, als Familie am Tisch zu sitzen und sich mit verteilten Rollen Theaterstücke vorzulesen. Das musste er in seiner Jugend öfter über sich ergehen lassen. Die Heisenbergs verbrachten ihre Abende mit Schiller, Goethe, Shakespeare und immer wieder mit Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“. „Welch absurde Familientradition“, behauptet Benjamin Heisenberg, aber daran, wie er es sagt, erkennt man, dass er mit „absurd“ eigentlich „liebenswert“ meint.

Heisenberg hat nun Fans - nicht wegen des Großvaters, sondern wegen "Breaking Bad"

Familie ist bei dem 39-Jährigen immer Thema gewesen. Sein Großvater war schließlich der Physiker Werner Heisenberg, Entdecker der Heisenbergschen Unschärferelation, Nobelpreisträger des Jahres 1932. „Früher wurde ich immer nur auf den Großvater angesprochen. Über Jahre hinweg musste ich dieselben Geschichten erzählen, es kam einer Litanei gleich.“

Das hat sich zum Glück radikal geändert, seit die Fernsehserie „Breaking Bad“ auch in Deutschland zum Hit wurde – in der sich ein Drogen kochender Chemielehrer als Reminiszenz an sein Wissenschaftsidol den Gangsternamen „Heisenberg“ zulegt. Inzwischen werde er kaum noch auf Opa, sondern meistens auf die wahnsinnig populäre Serie angesprochen. Das sei doch „eine erfreuliche Neuerung“. Auch Fan-T–Shirts mit dem Schriftzug „Heisenberg“ bekam er bereits geschenkt. Fremde Menschen haben sich auf Partys darüber gefreut, obwohl sie nicht mal wussten, wie der Träger mit Nachnamen heißt.

Ganz großvaterfrei bleibt allerdings auch der neue Film nicht. Denn den kauzigen Psychologen plagt die eigene Vergangenheit, er will sich rechtfertigen, warum er sich zu Beginn seiner Karriere nicht ausreichend vom Naziregime distanziert habe. Ein Vorwurf, der rückblickend auch Werner Heisenberg oft gemacht wurde.

"Über-Ich und Du" wagt verschiedensten Humor: Slapstick trifft auf Wortwitz trifft auf Situationskomik

Der Film ist ein Wagnis, sagt Benjamin Heisenberg. Nicht wegen des Genrewechsels an sich, sondern wegen der vielen verschiedenen Spielarten von Humor, die hier zum Tragen kommen. Slapstick-Einlagen folgen auf absurde Situationskomik, auf schrägen Wortwitz. Dazu kommen surreale, ja fantastische Elemente, zum Beispiel die Szene, als der Psychologe seinen neuen Freund durch Eingraben in die Erde therapieren will. Nein, der Regisseur verfügt über kein esoterisches Vorwissen, das hat er alles frei erfunden. Benjamin Heisenberg, der Vor-Ideen-Sprudler.

Seine Verspieltheit materialisiert sich auch in vielen kleinen, subtilen Zeichen, die der Zuschauer gar nicht mitkriegt, jedenfalls nicht vor dem vierten oder fünften Anschauen: das Augenpaar im Regal des Psychologen, das einen immerzu anstarrt. Die Papierkatze, die auf eine andere Katze zeigt. Die Tür der Berghütte, in der man Züge eines menschlichen Gesichts erkennen kann. Heisenberg hat für die Augen extra zwei Löcher reingeschnitzt. „Lauter Zeugs zum Entdecken“ habe er sich ersponnen, sagt er.

Oder die asiatische Hausangestellte: trägt eine Perücke, unter der sich ihre echte Frisur befindet, die absolut genauso aussieht wie die Perücke. Schon beim Erklären seiner Spielchen kriegt sich Benjamin Heisenberg kaum ein vor Schmunzeln. Man kann sich seine höllische Freude beim Aushecken am Set gut vorstellen.

Heisenberg arbeitet auch als Bildender Künstler, und zwar viel offen humoristischer als bisher beim Film. Außerdem ist er Gründer und Mitherausgeber der Filmzeitschrift „Revolver“. Da wird klar, warum so viele seiner filmischen Ideen auf Verwirklichung warten. Ein richtiger Stau hat sich gebildet. Zum Beispiel die Politgeschichte aus dem Waffenhändlermillieu, die zweite Drehbuchfassung ist fertig. Oder die Pferderenn-Story, die in Hongkong spielt. Oder die Musikergeschichte. Oder die Partybreaker-Geschichte aus dem US-Highschool-Milieu. Obwohl, sagt Heisenberg, da kam er beim Schreiben nicht weiter. Die ist zurückgestellt. Erst mal.

9.2., 20 Uhr (International), 10.2., 17.45 Uhr (CineStar), 12.2., 10 Uhr (Cinemaxx), 15.2., 21.30 Uhr (Zoo Palast), 16.2., 14.30 Uhr (Cubix)

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