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Nahkampf. Weltenretter Gerry Lane (Brad Pitt) wird heftig von einem Zombie bedrängt. „World War Z“ läuft ab Donnerstag in 18 Berliner Kinos.

© Jaap Buitendijk/Paramount

Filmstart: Die Zombies sind nicht totzukriegen

Horror für die ganze Familie: Marc Forsters Weltuntergangsspektakel „World War Z“ – mit Brad Pitt als Hauptdarsteller. Nie wurde in Hollywood mehr Geld in einen Zombiefilm investiert

„Bewegung ist Leben“ lautet das Credo von Gerry Lane (Brad Pitt). Bei der UN war er der Mann für Konflikte mit vielen Todesopfern, für Ruanda, Bosnien, Liberia. Für seine Familie hat er den Job aufgegeben und führt nun mit Frau und zwei Töchtern in Philadelphia ein gewöhnliches Leben. Doch als eine Pandemie die Menschheit in Bestien zu verwandeln droht, wird Lane zum Sonderbeauftragten für Zombie-Apokalypsen. Während die Familie auf einem Flugzeugträger in Sicherheit ist, bricht er auf, den Ursprung der Seuche zu ergründen und die Welt zu retten.

Z wie Zombies also. Seit den späten Sechzigern, seit George A. Romeros „Die Nacht der lebenden Toten“, unterhielt das Genre um die angemoderten Halbleichen, die sich von Menschen ernähren und nur durch Zerstörung ihres Gehirns ausgeschaltet werden können, ein geneigtes Spartenpublikum, bis Danny Boyles „28 Days Later“ vor zehn Jahren einen bis heute anhaltenden Boom auslöste. Zombieparodien, Zombiekomödien und -romanzen fanden nun auch Fans, die sonst mit Horror nichts am Hut haben. Die Zombieserie „The Walking Dead“ beschert dem US-Sender AMC kontinuierlich wachsende Traumquoten.

Was allerdings noch fehlt, ist ein Zombieblockbuster. Die Riesenbudgets sind in Hollywood für Actionfilme reserviert, die sich ans jugendliche Publikum richten. Hunderte Millionen Dollar in einen Horrorfilm zu stecken, das hat noch niemand gewagt. Mit „World War Z“ gehen Brad Pitt und seine Produktionsfirma Plan B das Wagnis ein. Bestmöglich abgesichert, versteht sich: Pitt selbst spricht als Hauptdarsteller ein weibliches, weniger genreaffines Publikum an. Als Vorlage wurde der Bestseller „Operation Zombie“ von Max Brooks (Sohn von Mel Brooks und Anne Bancroft) ausgewählt. Den Ursprung der Pandemie verlegten die Adaptoren von China nach Südkorea, um den bedeutenden chinesischen Markt nicht zu verprellen.

Gewagt ist höchstens die Wahl des Regisseurs: Der im Schwäbischen geborene und in der Schweiz aufgewachsene Marc Forster hat mit so unterschiedlichen Filmen wie „Monster's Ball“, „Stranger than Fiction“ und „Drachenläufer“ zwar bemerkenswerte Vielseitigkeit bewiesen, doch ausgerechnet sein Ausflug ins Reich der Megabudgets, das Bond-Vehikel „Ein Quantum Trost“, überzeugte nicht.

Aber in Zeiten zuverlässiger Zombiemanie kann eigentlich nichts schiefgehen. Zumal die dramaturgischen Möglichkeiten des Genres unerschöpflich sind. Da ist die Spannung zwischen der Solidarität, die sich gegen einen gemeinsamen Feind entwickelt, und dem Misstrauen, mit dem sich Fremde begegnen in einer Welt, in der die zivilisatorischen Fassaden gefallen sind. Da sind die Tragödien um Menschen, die gebissen wurden und von nahestehenden Personen getötet werden müssen. Und da ist die Chance, die Protagonisten autonom zwischen lebenswertem und nicht lebenswertem Leben unterscheiden und drastische Gewalt anwenden zu lassen, ohne dass sie sich faschistoiden Denkens verdächtig machen. Bedenkt man, dass selbst ein Historien- Quark wie „300“ unter Iranern Verstimmung ausgelöst hat, weil sie die Perser hässlich dargestellt fanden, wird klar, wie nützlich ein Feindbild ist, von dem sich niemand angesprochen fühlen muss.

Zombies - eine namenlose Bedrohung

Nahkampf. Weltenretter Gerry Lane (Brad Pitt) wird heftig von einem Zombie bedrängt. „World War Z“ läuft ab Donnerstag in 18 Berliner Kinos.
Nahkampf. Weltenretter Gerry Lane (Brad Pitt) wird heftig von einem Zombie bedrängt. „World War Z“ läuft ab Donnerstag in 18 Berliner Kinos.

© Jaap Buitendijk/Paramount

Zombies sind eine weitgehend namenlose Bedrohung, weshalb sie stets ebenso gut als Metapher für Kommunismus wie für Kapitalismus gelesen werden konnten. Umso heikler wird es, wenn sie politisch konkretisiert werden. Das ist in „World War Z“ der Fall, als Lane den Hinweis bekommt, Israel habe sich mit einer hohen Mauer vor der Zombie-Attacke schützen können. Wenn gezeigt wird, wie die Sperranlage, die Jerusalem vom Westjordanland abgrenzt, von einer tobsüchtigen Meute berannt wird, ist der Bezug zur tatsächlichen Situation unvermeidlich. Umso schlimmer, dass es ausgerechnet gerettete Palästinenser sind, die mit ihrem Jubelgesang die Untoten über die Mauer locken. Die Israel-Passage ist eines der wenigen Elemente, die es aus dem Roman in den Film geschafft haben. Doch während Brooks Buch von den verheerenden politischen Auswirkungen einer Zombiekatastrophe handelt, steht die Sequenz im Film für sich und ruft so ein bedenkliches Assoziationsfeld auf.

Davon abgesehen ist das Motiv der Mauer, die in einem Moment rettend aussperren und im nächsten verhängnisvoll einsperren kann, äußerst reizvoll. Bislang haben Liebhaber des Genres darüber gestritten, ob Zombies nur schlurfen oder auch rennen können. Hier sprinten und springen sie, klettern vor Hindernissen unablässig aufeinander und stürzen herab, bilden gigantische Türme aus Körpern und ergießen sich wie ein Tsunami über ihre wehrlosen Opfer. Dass es sich bei diesen Bildern um Kolossalgemälde aus dem Computer handelt – geschenkt. So imposant nehmen sich diese Weltuntergangsszenarien aus, dass der Eindruck entsteht, hier solle das Anschauungsmaterial für all die Krisen unserer Zeit geliefert werden, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Zivilisation gefährden.

Es sind vor allem diese Bilder, die von der insgesamt ziemlich holprigen Heldenreise im Gedächtnis bleiben. Das mag auch dem pannengebeutelten Produktionsprozess geschuldet sein. Während des Drehs kam es zu Zerwürfnissen, mehrere leitende Mitarbeiter verließen die Produktion. In Ungarn, wo das Finale gedreht wurde, beschlagnahmte eine Antiterror-Spezialeinheit 85 als Requisiten vorgesehene Schusswaffen. Die Kosten stiegen, aus 150 Millionen Dollar waren bereits 170 geworden, als die Produzenten sich nach Sichtung des Rohschnitts einig waren: Er funktioniert nicht. „Der Film begann klein und wuchs sich zu einem Monster aus“, beschreibt ein Produktionsleiter die Entwicklung.

Doch auch hier gilt: Bewegung ist Leben. Das letzte Drittel, eine bombastische Schlachtszene auf dem Roten Platz in Moskau, wurde verworfen. Ein weiterer Autor, der vierte mittlerweile, wurde mit einem neuen Ende betraut. Damon Lindelof entschied sich für eine Notoperation, wohl auch aus Kostengründen: fürs Kammerspiel anstelle von globalem Location-Hopping, für Einzelexemplare statt Zombieschwärme, für Spannung statt Spektakel. Der Bruch ist deutlich, doch der Wechsel in Rhythmus und Intensität funktioniert. Das transplantierte Spender-Ende wird nicht abgestoßen, der Patient lebt. Mehr konnten die Produzenten kaum erwarten.

Sieben Wochen wurde für den neuen Schluss in England nachgedreht. Das Budget wird deutlich jenseits der 200 Millionen Dollar vermutet, und die aufwändige Werbekampagne soll einen weiteren dreistelligen Millionenbetrag verschlungen haben. Offenbar mit Erfolg: Der US-Start übertraf alle Erwartungen. Die Strategie, investiertes Kapital durch noch mehr Investitionen zu retten, scheint aufzugehen. Es ist dieselbe Logik, die bei Bankenrettungen und Euro-Krise seit Jahren die Weltwirtschaft beherrscht – und der Zeitgeist-Nerv, den der Film trifft. Hier rettet das Prinzip, Feuer mit Feuer zu bekämpfen, womöglich sogar die Welt.

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