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Kultur: Finnische Jagdgründe

POP

Konzerte in Berliner Clubs besuchen heißt warten lernen. Steht „pünktlich 22 Uhr“ auf dem Programm, fallen nur blutige Anfänger darauf rein. Routinierte Clubgänger nehmen um diese Zeit ein Fußbad, verbringen eine halbe Stunde mit der Wahl der richtigen Turnschuhe und denken vielleicht zwei Stunden später erstmals daran, das Haus zu verlassen. So war es auch am Sonntag in der Pfefferbank . Um 23 Uhr saß das finnische Trio Aavikko noch gegenüber in der Pizzeria. Immerhin verkürzten Cobra Killer die Wartezeit. Die Hula-Performance der knapp bestrapsten Blitzmädels machte wie immer sprachlos. Lasziv schälten sie sich aus ihren Ledermänteln, begossen sich mit Rotwein und wälzten sich unter betäubendem Krach postkoital am Boden. Als dann endlich die Finnen in die Tasten ihrer Neun-Volt-Orgeln griffen, standen sphärische Klangteppiche aus dem Synthesizer von Paul Staufenbiel in der Luft, und Tom Leppänen knüppelte sein analoges Drumset wie Mitte der Neunziger. Damals waren die stilbildenden „Original Yamaha-Boys from Siilinjärvi“ mit ihren Billigsynthesizern aufgebrochen, die Elektronik mit Spaghettiwestern-Musik zu versöhnen. Nun ist tanzbares Bum-Tschack hinzugekommen, aber es klingt noch immer wie der Soundtrack eines ungedrehten Films. Darin fliegt ein Straßenkreuzer aus den Siebzigern durchs Weltall. Am Steuer Pac-Man, gespielt von Steve McQueen. Er wird von Indianern auf Roboter-Pferden verfolgt, im Background Vocoderstimmen im Carmina-Burana-Stil. Wir hätten gern erfahren, wie die wilde Jagd ausgeht, aber irgendwann muss man auch mal schlafen. Später, im Traum, war’s ein Happy-End. Dafür sorgte Aavikko, die beste finnische Low-Fi-Band der Welt.

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