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Kultur: Fluss der Zeit

DDR-Erinnerungen bei Johanna Breede

Nichts wie weg hier, könnte der Subtext von Dieter Matthes’ „Yellow Trabbi“ lauten. Der „Volks“-Wagen der DDR rast 1990 in flirrender Bewegungsunschärfe vorbei an einem gestochen scharfen Abbruchhaus. Zerborstene Fenster und Hauseingänge, die kein Bewohner mehr passiert, aus denen der Schutt der Vergangenheit herausquillt (600 Euro).

„Invisible Past – Bilder einer verschwindenden Zeit“ heißt die Ausstellung bei Johanna Breede, in der acht Fotografen einen nachdenklich stimmenden Blick auf Orte werfen, die so nicht mehr existieren. Im Fokus stehen Berlin und das Umland von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Der 1952 geborene Matthes ist für seine Reportage „Last Exit DDR“ 8000 Kilometer durch die Zwischenzeit gefahren, als die „DDR wie in ihrem eigenen Museum für kurze Zeit in ihrem Originalzustand zu sehen war“, so der Mediziner, Fotograf und Schauspieler, der seit Ende der 1980er-Jahre für die großen Magazine und Zeitschriften fotografiert.

Einen Hinterhof, wie er heutzutage dort sicher nicht mehr zu finden ist, zeigt Sibylle Bergemanns „Oranienburger Straße“ (1800 Euro). Eine spartanische Idylle mit Tisch und Bank, die im Jahre 1977 der Zeit weit entrückt scheint. Das diffuse Licht verleiht der Szene etwas Verwunschenes und eine tiefe Ruhe, die Bergemanns Kompositionen überhaupt auszeichnet. Die Serie „Allerleirauh“ (je 2400 Euro), 1988 für das gleichnamige Punk-Mode-Lable aufgenommen, vereint Mode-Inszenierung und subtiles Gesellschaftsbild. Schwarz-Weiß-Bilder, die nicht eine klischeehaft ‚graue DDR‘ vorführen, sondern in feinen Stufungen Spannung erzeugen und von Kreativität und Witz erzählen. Im wallenden Gewand lehnt „Heike“ an der Kühlerhaube eines verdeckten Autos, dessen Plane dem Kleiderstoff frappierend ähnelt. Auf der Wand im Hintergrund eine Zufallsmalerei, gefertigt von den Zeitläuften – von der Witterung oder einem Schimmelpilz.

Die malerische Poesie des Morbiden war auch bei Leo Pompinons Serie aus den Beelitzer Heilstätten am Werk. Rudimente elektrischer Leitungen werden bei dem 1974 geborenen Berliner zur „Wandstudie“ vor abfallendem Putz, in der Nahaufnahme zweier Steckdosen lugt unter offenen Kabeln anmutig ein Stück Seerosentapete hervor. Fast kitschig schöne Strukturen, die im nächsten Moment den Bruch hinter den Dingen offenbaren.

Demgegenüber steht das klassisch Dokumentarische. Mit kriminalistischer Akribie fängt Hannes Kilian 1956 das schwarze Kopfsteinpflaster der „Straße im Gegenlicht“ ein (4000 Euro). Henry Ries stieg für Ernst Reuters Rede an die „Völker der Welt“ auf den Reichstag. Unten die Menschenmasse, doch eigentlich ging es Ries um die Jugendlichen, die oben auf der Ruine andächtig Reuters „Schaut auf diese Stadt“ lauschen (4200 Euro).

Kilian und Ries vereint Breede in einem großen Block zu einer beeindruckenden Erzählung über die Nachkriegszeit und die Teilung Berlins. Positionen und Techniken einer verschwindenden Zeit, die das Jetzt als Transitraum des Daseins umso mehr unterstreichen. Wer vermag zu sagen, wann das Gegenwärtige unsichtbar wird. Michaela Nolte

Johanna Breede Photokunst, Fasanenstraße 69, bis 28. August; Mi–Fr 14–18 Uhr, Sonnabend 11–16 Uhr.

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