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James Taylor, geboren 1948, hatte 1970 mit dem Album „Sweet Baby James“ seinen Durchbruch. Weltweit verkaufte der amerikanische Singer/Songwriter über 50 Millionen Platten.

© Promo

Folksheld: Feuer und Regen

Vor dem Berliner Konzert: Singer/Songwriter James Taylor über minimalistische Bühnenshows, das Altern und das Leben ohne Heroin.

Mister Taylor, Sie haben einmal gesagt: Ich verdiene meinen Lebensunterhalt damit, ich selbst zu sein.

Das tue ich. Als Künstler hat man verschiedene Möglichkeiten. Man kann in eine Rolle schlüpfen, die man dann in seinen Songs oder auf der Bühne darstellt.

Wie Randy Newman in seinen Songs? Oder Tom Waits als Typ?

Genau. Ich mache so etwas nicht. Ich kreiere keine Figur, ich versuche so weit wie möglich ich selbst zu sein.

Und weil Ihr Naturell eher zurückhaltend ist, weil Sie nicht zu Bombast neigen ...

... treibe ich auch keine aufwändigen Showproduktionen. Bei uns gibt es keinen rieselnden Schnee auf der Bühne, keine tanzenden Roboter oder riesige Leinwände mit Video-Schnipseln.

Was gibt es stattdessen?

Es ist eher wie ein Jazz- oder ein Klassikkonzert. Es geht nur um die Musik. Steve Gadd am Schlagzeug, Jimmy Johnson am Bass, Larry Goldings am Piano und ich als Gitarrist und Sänger. Obwohl wir ein festgelegtes Programm spielen, versuchen wir so spontan wie möglich die Stimmungen einzufangen und auszudrücken.

Schon zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie Zeitstimmungen in Ihren Songs transportiert. Ende der sechziger Jahren, nachdem beim Konzert der Rolling Stones in Altamont ein Zuschauer erstochen worden war und die Kommune von Charles Manson acht Menschen ermordet hatte, waren die Ideale des Rock und der Hippies schwer beschädigt. Da boten Sie mit introspektivem Folk eine neue Identifikationsmöglichkeit.

Vielleicht stimmt das. Trotzdem würde ich die Genres nicht so streng voneinander trennen. Die haben gleichzeitig nebeneinander existiert. Meine Sachen sind vielleicht weniger Rock ’n’ Roll, eher eine Art Folk. Schon wegen der Akustikgitarre. Am Anfang war das ja bei mir nur Gesang und Akustikgitarre. Da haben alle den Folk-Troubadour in mir gesehen. Später habe ich Songs geschrieben, die nach einer Band verlangten.

In Ihrer Jugend litten Sie unter Depressionen, waren suizidgefährdet und verbrachten längere Zeit in einer Klinik. Die Songs, die damals entstanden, gehören zu Ihren erfolgreichsten.

Offenbar konnten sich viele darin wiederfinden. In dem Song „Fire And Rain“, der vielleicht alles ausdrückt, was ich damals war und empfunden habe, erzähle ich von der harten Zeit, die ich durchlebte. Die Leute hatten den Eindruck, dass meine Musik eine Art Therapie wäre. Aber ich hatte immer auch eine andere Seite. Ich habe zur selben Zeit Liebeslieder geschrieben, fröhliche Songs oder ironische Blues-Nummern.

Entstehen aus Leid die besten Kunstwerke?

Das glaube ich nicht. Emily Dickinson zum Beispiel ...

... die amerikanische Dichterin aus dem 19. Jahrhundert ...

... hat sehr isoliert gelebt, doch glaube ich nicht, dass ihr Leben unglücklich war. Und sie hat tiefgründige, bewegende Texte geschrieben. Hat Beethoven unter seinem Leben gelitten? Vielleicht. Aber was ist mit Mozart, hat er gelitten?

Sie waren jahrelang heroinabhängig. Wollten Sie Ihre Depressionen betäuben?

Für mich war es Selbstmedikation. Als ich damals in New York spielte, war es so leicht an Heroin heranzukommen. Mit 18 habe ich mit dem Heroin angefangen und es genommen bis ich 35 war. Alles, was ich in der Droge gesucht habe, war Normalität, Sicherheit, Selbstbewusstsein.

Wie wurden Sie nach dem Heroin mit den Depressionen fertig?

Körperliches Training war meine Rettung. Ungefähr drei Stunden pro Tag. Aber ich hatte auch das große Glück, dass mich meine Depressionen nie völlig außer Gefecht gesetzt haben.

Bob Dylan wird 71, Leonard Cohen hat gerade mit 77 ein neues Album herausgebracht. Sie sind kürzlich 64 geworden. Wie ist es, älter zu werden im Musikgeschäft?

Ich bin selbst überrascht, schon 64 zu sein. Als ich in meinen Zwanzigern war, hätte ich nie gedacht, dass ich mal so alt werde. Wer hat gesagt: ,Wenn ich gewusst hätte, wie alt ich mal werde, hätte ich besser auf mich aufgepasst?’ Ich kann mir vorstellen, meine Arbeit noch eine ganze Weile zu machen. Natürlich hilft es mir zu sehen, dass Cohen, Dylan und Tony Bennett noch da sind.

Und Blues-Musiker auch.

John Lee Hooker hat bis zu seinem Tod im hohen Alter auf der Bühne gestanden. Und viele Country-Sänger. Es ist schon lustig, wenn man in diesem Geschäft älter wird, und man sieht, wie das eigene Publikum mitaltert. Zu uns kommen inzwischen ganze Familien, Leute, die ihre Kinder mitbringen.

James Taylor & Band spielen am heutigen Freitag, 27.4., um 20 Uhr im Berliner Tempodrom. Das Gespräch führte H. P. Daniels.

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