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Kultur: Formen wahren

Leipziger Streichquartett im Kammermusiksaal.

In der Welt der Klassik gibt es sie noch, diese verstörenden Momente, in denen Inseln des Elitären aufragen. Stefan Arzberger, Primarius des Leipziger Streichquartetts, weist mit erhobenem Bogen die Applausentladung einiger Konzertnovizen nach dem aufwühlenden ersten Satz von Mendelssohns Streichquartett op. 80 ab. Die Form muss gewahrt bleiben, auch wenn die Musik über Grenzen strebt.

Im schnell drehenden Karussell der Streichquartette finden sich die ehemaligen Stimmführer des Gewandhausorchesters, die sich seit 1993 ausschließlich dem Spiel zu viert widmen, auf einem konservativen Platz wieder. Während das Artemis Quartett den Kammermusiksaal füllt, müssen sich die Leipziger mit gut zwei Blöcken zufriedengeben – und halten dennoch an ihrer Hauptstadt-Serie fest.

Beharrlichkeit gepaart mit Traditions- und Sendungsbewusstsein ohne spürbare Eitelkeit, das zeichnet die Interpretationen der Leipziger aus. Mendelssohns erschütterndes Spätwerk, ringend mit dem Tod der Schwester und dem eigenen Zusammenbruch, rutscht nie ab ins Private, wahrt Contenance. Nur kurz, zu Beginn des Finales, zeichnet sich ein Riss ab, der nicht mehr gekittet werden kann. Der unerhörten Vertrautheit der Leipziger mit Beethovens Quartetten entspringt eine Interpretation von op. 132, deren Dichte und Ausgewogenheit schwerlich zu kopieren sind. Bei diesem erdigen Konzert bleiben Puccinis „Crisantemi“ und Weberns Streichquartett von 1905 Fremdkörper: rauschende Klangsinnlichkeit und knackige Expressivität gehören nicht zu den Primärtugenden der Leipziger. Ulrich Amling

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