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Kultur: Fotografie-Ausstellung: Perlen vor die Säulen

Die Akropolis als Bühne der perfekten Menschen: Muskulös und gravitätisch die Männer, grazil und tänzerisch die Frauen. Das Schwarzweiß der Fotografien lässt die Haut zu Marmor werden.

Die Akropolis als Bühne der perfekten Menschen: Muskulös und gravitätisch die Männer, grazil und tänzerisch die Frauen. Das Schwarzweiß der Fotografien lässt die Haut zu Marmor werden. Der Marmor der Säulen hingegen wird durch die Verbindung mit Menschen für die Gegenwart lebendig: Die Darstellung moderner Menschen vor antiken Stätten stellt nationale Kontinuitäten und Identitäten her. Aber nicht die Heroisierung des Körpers und der Nation, später ob ihrer Diktaturentauglichkeit suspekt geworden, erregte die Zeitgenossen. Die schlichte Nacktheit der Figuren war der Skandal, der der Fotografin Nelly 1929 ersten Ruhm bescherte.

Die Ursprünge dieser Fotografien liegen in Deutschland: Die 1899 geborene Elli Souyoultzoglou-Seraidari, die sich später Nelly nannte, ging 1920 nach Dresden, um Malerei und Musik zu studieren, wandte sich aber bald der Fotografie zu. Als Assistentin von Franz Fiedler fotografierte sie junge Frauen beim damals noch neuen Ausdruckstanz vor der Kulisse der Sächsischen Schweiz. Zurück in Griechenland, wählte sie antike Tempelanlagen als Hintergrund. Die theatralische Inszenierung Griechenlands brachte der vor drei Jahren verstorbenen Nelly in den dreißiger Jahren die Stellung als offizielle Fotografin der griechischen Tourismusbehörde ein. Dabei entstanden zahlreiche Abbildungen archäologischer Stätten, die im Mittelpunkt der ersten Retrospektive Nellys im deutschsprachigen Raum stehen. Derzeit zu sehen im Pergamon-Museum, eingebettet in die Antikensammlung.

Für die touristischen Aufnahmen kam ihr zugute, dass sie sich als Künstlerin zu Gunsten des Sujets zurücknahm. Nur bei den Collagen und einigen Tempelfotografien sind dadaistische und futuristische Einflüsse erkennbar sowie vereinzelte Bezüge auf die dynamischen Perspektiven zeitgenössischer Avantgardisten wie Alexander Rodtschenko. Die meisten Fotografien der antiken Stätten, die in ihren Sujets sowohl Vergänglichkeit wie Unvergänglichkeit thematisieren, sind auch stilistisch zeitlos. Sich ganz in den Dienst des Abgebildeten stellend, wirken Nellys Aufnahmen daher bisweilen unspektakulär. Das macht in Berlin allerdings der Ausstellungsort, das Pergamon-Museum, wieder wett. Zum Beispiel beim Bildnis einer Büste Alexanders des Großen. In Berlin hängt es neben einer Marmorkopie und übertrifft diese an Eindringlichkeit deutlich. Und so gelingt es Nelly doch, trotz aller Schlichtheit, mit Hilfe der Schwarz-Weiß-Fotografie die antike Ästhetik zu überhöhen.

Nicholas Körber

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