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Fotografie: Modische Mädchen

Koketterie, Nachdenklichkeit, Melancholie und vor allem großes Selbstbewusstsein, gepaart mit Sinnlichkeit: Die Galerie Breede zeigt das fotografische Werk von Sibylle Bergemann als kleine Retrospektive.

Halb skeptisch, halb grimmig ist der Blick zweier spröder Schönheiten in schwarzen Strandkleidern. 1981 war das Anlass für Zensur: So pessimistisch durfte die deutsche Frau nach DDR-Ideologie nicht aussehen. Flugs wurden vor der Veröffentlichung die herabhängenden Mundwinkel retuschiert. „Marisa und Liane am Strand“ (Sellin, 1981) heißt dieses berühmte Bild aus der Zeit, als Sibylle Bergemann vor allem Porträts und Modeaufnahmen machte – wobei ihre kompositorischen Strategien für beide Genres fließend sind.

Viele der Motive, die Bergemann als eine der wichtigsten Modefotografinnen der ehemaligen DDR für die Modezeitschrift „Sibylle“ ablichtete, offenbaren eine unverbrüchliche Individualität der Subjekte, die eher Porträtaufnahmen ähneln. Es sind sensible Studien wie „Katharina Thalbach“ (Berlin, 1974), die von großer Intimität zeugen und ein ganzes Konzert an Regungen zeigen: Koketterie, Nachdenklichkeit, Melancholie und vor allem großes Selbstbewusstsein, gepaart mit Sinnlichkeit.

Die öffentlichen Plätze, bröckelnden Hausfassaden, trostlosen Straßen mit tuckernden Trabbis und verrotteten Industriebauten, vor denen die Models stehen, sprengen oftmals den Rahmen der Modefotografie. Immer ist das Model auch eine Person mit einem Namen, die etwas zu sperrig in der Hintergrundlandschaft steht. Und immer passt das marode Bild, das sich in die Modeaufnahme schmuggelt, nicht zum Vorzeigesozialismus der DDR. Bewusste Inszenierung von Widersprüchen könnte man dieses Verfahren nennen, das durch die Komposition leise Sprengkraft entwickelt. „Mich interessiert der Rand der Welt, nicht die Mitte“, meint Sibylle Bergemann, „das Nichtaustauschbare ist für mich von Belang.“

Diesem Impuls verdankt sich der präzise Blick, mit dem die Fotografin die Zensur umschiffte. Doch auch ohne deren Wirken behält die Arbeit ihre Bildmächtigkeit, wie die aktuelleren Farbfotografien Sibylle Bergemanns nach der Wende zeigen: die surrealen Märchenbilder (2000), die in den Kulissen eines Films von Wenzel Storch entstanden sind. Eine Serie, die in Clärchens Ballhaus (2008) fotografiert wurde. Oder die eigenwilligen Modefotografien und Porträts aus Dakar, die Bergemann seit 2001 macht.

Aus dem Schaffen von Sibylle Bergemann präsentiert die Fotogalerie Johanna Breede mit etwa vierzig Fotografien die wichtigsten Werkgruppen. Zur Fotografie kam Bergemann über Umwege. 1966 begann sie bei Arno Fischer, ihrem Lehrer und späteren Mann, eine Ausbildung zur Fotografin. Seit 1969 erschienen Aufnahmen in der Wochenzeitschrift „Sonntag“. Über Fischer kam Bergemann auch zur Modefotografie: Ab 1973 wurden ihre Bilder von der „Sibylle“ und im „Magazin“ veröffentlicht. Nach der Wende gehörte Bergemann zu den Gründungsmitgliedern der angesehenen Fotografenagentur Ostkreuz. Seitdem begegnet man ihr im „Stern“, dem „Spiegel“, der „Zeit“ oder dem „New York Times Magazin“, vor allem aber in „Geo“.

Die eindrucksvollen Vintages und autorisierten Abzüge bei Breede (900–3500 Euro, unlimitierte Auflage) sind zwar bekannt, offenbaren jedoch einmal mehr Bergemanns Gespür für Komposition und den richtigen Moment. Eine Fähigkeit, die der Literat Cees Nooteboom in einem Aufsatz über die Fotografin beschrieb: „Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Eine halbe Sekunde später, und es hätte kein Foto gegeben.“

Johanna Breede Photokunst, Fasanenstr. 69; bis 22.5., Di–Fr 11–18 Uhr, Sa 11–16 Uhr.

Angela Hohmann

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