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Kleine Kapelle. 1948 fotografierte Kalischer die Musikerfamilie in Tennessee.

© Argus

Fotokunst: Porträts von Clemens Kalischer und Just Loomis

Zwei Generationen, zwei Perspektiven. „As we are“ lautet das schlichte Motto der Auswahl von etwa dreißig Schwarzweiß- und Farbaufnahmen aus den neunziger Jahren und der Gegenwart.

Sechs Jahrzehnte lagen diese einzigartigen Aufnahmen im Archiv Clemens Kalischers in Stockbridge, bis der Galerist Norbert Bunge sie entdeckte. Als hätte die Tradition von Walker Evans, Margaret Bourke-White und Dorothea Lange eine würdige Nachfolge gefunden, fing der junge, 1921 in Deutschland geborene und 1942 der drohenden Deportation entkommene Emigrant ab Ende der vierziger Jahre den Alltag armer Farmer, Landarbeiter und ihrer Familien in Virginia, North- und South Carolina, Tennessee und Georgia mit intuitiver Sicherheit ein. Die Arbeit auf den Tabakplantagen und Maisfeldern oder beim Holzeinschlag, die einfachen Blockhäuser, wo weiße oder schwarze Kinder den Fremden ernst mustern. Manchmal wohnte Kalischer ein paar Tage in den Orten, bevor er mit seiner Kamera weiter durch die Gegend streifte.

Noch heute fasziniert die Ruhe, die von den gut vierzig Arbeiten auf den Betrachter ausstrahlt, weil die Fotografien sich auf das Lebensgefühl der an ihren Ort, ihre wenig einträgliche Arbeit und die ihnen vertraute Landschaft gebundenen Menschen einlassen. Idyllisch wird man diese Zustände kaum nennen. Kalischer übersieht aber nicht die kleinen Höhepunkte. Eine Serie porträtiert eine Fiedlerkapelle, ein Vater mit seinen vier Söhnen, großartige Charakterköpfe, die sich scharf gegen den bleichen Himmel abheben. Ernst und traurig sehen diese Gesichter aus, vor allem die jüngeren. Ein Paar, das einander mit einer unerhört zarten Geste unter freiem Himmel zum Tanz führt, scheint davon in seinem Glück nichts zu spüren. „Country Road“, so der Titel der Ausstellung, erweitert den Blick auf den deutsch-amerikanischen Meisterfotografen, dessen Retrospektive im Willy-Brandt-Haus 2002 in guter Erinnerung ist. Die meisten ausgestellten Arbeiten sind Unikate (1200- 3000 Euro), denen man ihr Alter nicht ansieht, so gut bewahrte Kalischer sie auf.

Einer anderen Generation und fotografischen Welt gehört der 1957 im Bundesstaat Nevada geborene Newton-Schüler Just Loomis an, den die Galerie Hiltawsky vorstellt. „As we are“ lautet das schlichte Motto der Auswahl von etwa dreißig Schwarzweiß- und Farbaufnahmen aus den neunziger Jahren und der Gegenwart. In der Mehrzahl sind es Porträts zumeist junger Frauen und Männer, deren traurige Blicke sich einprägen. Unverkennbar ist die Lust zur Selbstinszenierung, die in der Generation Facebook akrobatische Formen annehmen kann.

Doch wie die mit sicherem Gespür für das Besondere gefundenen Personen scheint auch Loomis lieber auf den Wogen des Zeitgefühls dahintreiben, als die Fragilität moderner Lebenskonstruktionen aufdecken zu wollen. Der frühere Modefotograf sieht immer nur den Vordergrund. Auf dem Kunstmarkt werden seine Arbeiten indes hoch gehandelt: Der Galeriepreis liegt, je nach Auflagenhöhe, zwischen 2000 und 20 000 Euro. Hans-Jörg Rother

Argus Fotokunst, Marienstr. 26; bis 28. 5., Di-Sa 14-18 Uhr / Galerie Hiltawsky, Tucholskystr. 41; bis 21. 5., Mi-Sa 14-18 Uhr.

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