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Fotomesse "Paris Photo Los Angeles": L.A. auf der Überholspur

Die zweite Ausgabe der „Paris Photo Los Angeles“ begeistert mit hoher Qualität. Und sie beweist, dass die Stadt der Automobile das Zeug zur neuen US-Kunstmetropole hat.

Hollywood. Jodie Foster war da, Brad Pitt, Jamie Lee Curtis und Udo Kier. In legerer Kleidung und so unauffällig wie möglich schlenderten sie über das Gelände, das sie am besten kennen, die Paramount Picture Studios in Los Angeles mit ihren nachgebauten Häuserkulissen samt Stilzitaten von Neoklassizismus bis Betonbrutalismus, diese kleine Fassadenstadt, herumgebaut um zwei, drei Straßenzüge. Gekommen waren die Stars nicht, um zu arbeiten, sondern um ihren Hunger nach Bildern zu stillen.

Was sie sahen, dürfte ihnen gefallen haben. Denn die zweite Ausgabe der „Paris Photo Los Angeles“ tritt in der Stadt der Automobilität im Gegensatz zur beinahe doppelt so großen Schau im Grand Palais von Frankreichs Hauptstadt im entspanntem Boutiquenformat auf. Die 81 Galeristen und Kunstbuchhändler aus 18 Ländern begeistern mit hoher Qualität, allerdings fehlen in L.A. die auf Vintagefotografie spezialisierten Händler wie Howard Greenberg, Hans P. Kraus oder James Hyman.

Die beiden Messen verhalten sich zueinander wie die Art Basel und ihre Glamschwester in Miami. Wobei der kalifornische Look der Vernissagegäste, darunter Sammler wie Maja Hoffmann, Reina und Kevin Chau oder Sydney Picasso, weniger hysterisch ausfällt. Von den in der Stadt der Engel ansässigen Galerien sind bei Weitem nicht alle auf der Messe. Mit Larry Gagosian hält immerhin der mächtigste zeitgenössische Händler in einer der drei Haupthallen Hof, er präsentiert solide Ware. Zum Beispiel „phg.07“ aus dem Jahr 2013 von Thomas Ruff für 90 000 Dollar (Ed. 3) und gestickte Divenporträts von Francesco Vezzoli (50 000 die Dreier-Auflage, das Unikat 100 000 Dollar). Zeitgleich stellt der Künstler im Museum of Contemporary Art aus.

Große Räume, günstige Mieten: L.A. wird zum neuen Hot Spot für die Kunst

Einer, der gerade aus New York hierhergezogen ist, der gebürtige Deutsche Thomas von Lintel, bestätigt ein seit kurzem zu beobachtendes Grundrauschen rund um Los Angeles als neuem Hot Spot: „Hier zahle ich zwanzig Prozent weniger für drei Mal so große Räume. New York ist auch für junge Künstler viel zu teuer geworden, die gehen jetzt nach Los Angeles oder Berlin.“ Umgekehrt suchen Galeristen aus der deutschen Hauptstadt wie Sprüth/Magers nach Räumen in Los Angeles. Denn sie und einige ihrer Kollegen finden, dass die Stadt ein hervorragender Ort ist, Künstler zu zeigen, die man wegen der New Yorker Platzhirsche dort nicht präsentieren kann. Kein schlechtes Argument für einen Perspektivwechsel von der Ost- an die Westküste.

Ein zweites Argument sind selbst für Megagalerien wie Hauser & Wirth die günstigeren Preise, wenn es um Erweiterung geht. So planen sie einen nächsten Standort mit Warenhausdimensionen für ihren neuen Partner Paul Schimmel. Damit folgt die Galerie Matthew Marks und Gavin Brown, die bereits Räume in Los Angeles eröffnet haben.

Es spricht also manches für eine glorreiche Zukunft der Paris Photo. Vor allem das „fantastische und kauffreudige Publikum“, wie der in München und London etablierte Galerist Daniel Blau es formuliert – Blau sitzt im Auswahlkomitee der Messe. Hinzu kommen die „exzellenten Sammler“, wie sein Kölner Kollege Thomas Zander sie erlebt hat. Zander zeigt eine großartige Serie von Arbeiten, die Candida Höfer als Hommage an das Werk ihres Freundes On Kawara angefertigt hat. In den Häusern von dessen Sammlern fotografierte sie, wie seine Arbeiten als kleine Zeitkapseln der Vergänglichkeit widerstehen.

Tankstellen und Straßenkreuzer: Die Autostadt inspiriert die Künstler.

Für den deutschen Wahlamerikaner Leo König hingegen bleibt New York der „Kunstmarktplatz Nummer eins“. Los Angeles nennt er einen Seitensprung, auch wenn er bereits die „Twentysix Gasoline Stations“ des L.A.-Superstarkünstlers Ed Ruscha verkauft hat. So allgegenwärtig wie Tankstellen sind hier auch die Straßenkreuzer. Oft große Schlitten, manche davon so schnell wie der BMW 850 CSi, den der Kalifornier David Hockney 1995 bunt bemalt hat. In einem Interview verriet er, dass er dabei „den schönen Kurven des Wagens“ folgte. So wurde Hockneys BMW zu einer von 17 rollenden Skulpturen, die das Münchner Unternehmen, offizieller Partner der Messe, seit 1975 in Auftrag gibt. Der Art Car steht in einer Ecke von Halle drei und dient als Schaustück für die Präsentation eines soeben erschienenen Buchs, in dem sich die anhaltende Obsession von Künstlern mit Automobilen unterhaltsam erschließt.

Automobilleidenschaft auf der Messe

Auf der Messe sind großartige Beispiele der Automobilleidenschaft zu bewundern. Zum Beispiel Arbeiten von William Eggleston bei der Rosegallery aus Santa Monica. Oder Fotografien von Stephen Shore bei der New Yorker Galerie 303, der die melancholische Tristesse der Kleinstadt Winslow in Arizona an einem Septembertag dokumentierte (12 000 Dollar in einer Auflage von 8; die Vintage-Unikate kosten 30 000 Dollar).

Keine Fotomesse ohne Erotik. Am mondänsten bietet sie der Londoner Händler Tim Jefferies in seiner Hamiltons Galerie unter anderem mit Arbeiten von Nobuyoshi Araki und Carlo Mollino sowie mit Abzügen von Helmut Newtons Amazonen, darunter ein Unikat für 250 000 Dollar. Menschen im Zwiespalt mit dem eigenen Geschlecht kann man beim Pariser Galeristen Christophe Gaillard studieren – kleinformatige Fotografien von Pierre Molinier in Nacktposen aus den sechziger Jahren (er starb 1976) und Fantasien des 1995 gestorbenen Michel Journiac, die zwischen weiblichem und männlichem Sexappeal changieren (die Vintages kosten zwischen 18 000 und 28 000 Dollar).

Die Spanne ist groß: Das allgemeine Preisspektrum der Werke auf der Messe liegt zwischen wenigen tausend und rund einer halben Million Dollar. Mit 8000 Dollar in einer Auflage von 20 ausgezeichnet, fasziniert auch die Fotocollage „First Jobs“ der Australierin Tracey Moffat beim New Yorker Galeristen Tyler Rollins, weil sie den Vom-Tellerwäscher-zum Millionär-Aspekt selbst prekären Arbeitens sichtbar macht.

Eine Entdeckung auf der Paris Photo waren wiederum die Arbeiten des 1946 geborenen Schweizer Fotografen Walter Pfeiffer bei der Münchner Galerie Sabine Knust: Wie kein Zweiter zeigt er die Unvollkommenheit der Schönheit auf faszinierende Weise. Und dann sind da noch die außergewöhnlichen Fotos des 1980 in Dakar geborenen, senegalesischen Künstlers Omar Victor Diop, der die Zukunft der Schönheit sichtbar macht.

Noch bis 27. April, Infos: parisphoto.com

Eva Karcher

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