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Kultur: Foucault und andere Drogen

Sophiensäle: „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“

Pädagogisch beflissene Zeitgenossen, die sich von Ulrich Rasches Theaterprojekt „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ in den Sophiensälen so etwas wie dramatische Suchtprävention versprechen, liegen ziemlich falsch. Im Gegensatz zum 1978 erschienenen Kultbuch nämlich interessiert sich der Regisseur nicht so sehr für die handfesten Auswirkungen der Heroinabhängigkeit und die verzweifelten Befreiungsversuche einer gerade mal 15-jährigen Christiane F. aus der Abwärtsspirale. Rasche hegt vielmehr philosophische Ambitionen: Er verknüpft Buchpassagen zur Körperwahrnehmung unter Drogen mit blumigen Ausführungen Michel Foucaults über den „utopischen Körper“. Unter Berufung auf den Profidenker will Rasche „Christiane F.“ somit als eine Art „Gegenräumlichkeit“ zur bestehenden Ordnung der Dinge inszenieren. Drogen und Prostitution als Ausdruck „einer verzweifelten Suche nach neuen sozialen Lebensformen“?

In der Bühnenpraxis ist diese streitbare These vor allem eines: anstrengend. Die ominöse „Gegenräumlichkeit“, die die Zuschauer auf grauen Hockern und Sitzmatten umringen, entpuppt sich als dunkler Teppich, auf dem barfüßige Darsteller 100 Minuten lang monologisch, dialogisch oder chorisch Foucault und „Christiane F.“ sprechen – und zwar in aufreizender Langsamkeit und so bewegungsarm wie irgend möglich. Die Fallhöhe zwischen dem französischen Kult- Philosophen und dem Westberliner Teenager sorgt dabei für Momente unfreiwilliger Komik. Ansonsten bestätigt einen diese ambitionierte „Installation“ für acht Schauspieler in erster Linie wieder einmal darin, dass Utopien – „Gegenräumlichkeiten“ – naturgemäß schwer zu fassen sind.

Wieder vom 9.–14. Mai, 20 Uhr. Am 12. und 13. Mai auch 22 Uhr

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