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Kultur: Foxi vergessen

Schmerz der ersten Liebe: „So lonely“ im Grips

„Das muss alles verschwinden!“, schreit der Junge. Es ist seine Beschwörungsformel, sein Exorzismus, mit dem er den Dingen vor sich auf dem Boden die Bedeutung auszutreiben versucht. Der Fahrkarte zum Beispiel, der deutschen Grammatik, der Plastikschachtel mit den Haaren und ganz besonders dem Bettlaken. Eben allem, was er sorgsam aufbewahrt hat, weil es ihn an sie erinnert. An das rothaarige Mädchen, das Foxi genannt wird und eigentlich Ann-Kathrin heißt. Der Junge hat sie im Bus kennengelernt und sich bei den ersten Flirts so linkisch angestellt, dass einem ganz schwindlig wird vor lauter Wiedererkennen. Die beiden sind sich trotzdem nähergekommen, Freunde geworden, irgendwann im Bett gelandet. Für ihn eine ganz große Sache, für sie ein Ausrutscher, der eigentlich nicht hätte passieren dürfen. Und schon liegt eine Welt in Scherben.

„So lonely“ heißt das Buch des Schweden Per Nilsson, das jetzt in der Bühnenfassung von Michael Müller im Grips Mitte zur Uraufführung gebracht wurde. Die letzte Produktion der Ära Volker Ludwig, und noch einmal ein Beweis für die Klasse seines Hauses. Regisseurin Franziska Steiof erzählt mit Herz und ohne Pathos vom Sturz ins Bodenlose. Vom Liebeskummer, der immer schmerzt, aber beim ersten Mal Vernichtung bedeutet. First cut is the deepest, wie Cat Stevens sang. Sie muss dafür keinen großen Aufwand betreiben. Die Bühne ist leer, nur einiges Klebeband kommt zum Einsatz. Womit die beiden Schauspieler beispielsweise ihre Jugendzimmer auf dem Boden markieren, ein schönes Spiel mit dem Pubertätsgefühl des Provisorischen.

Der Fokus liegt ganz auf den Schauspielern, und die machen ihre Sache großartig. Robert Neumann spielt den namenlosen Jungen, der als Erzähler die eigene Geschichte wie einen Film an sich vorbeiziehen lässt und all die peinvollen Details in Nahaufnahme heranzoomt. Ein junger Werther, der bereit ist, sein Leben wegzuwerfen, Tabletten könnten es beschleunigen, weil ohne die Geliebte nichts mehr Sinn hat. Neumann lässt die Verunsicherung des Heranwachsenden zwischen Himmelsstürmerei und Bruchlandung in allen Facetten leuchten, er ist briefeschreibender Schwärmer, Hanswurst beim Kondomkauf, ungeschickter Komplimentemacher („Du bist auch nicht gerade potthässlich“) und aufrichtig Verliebter. Alles ganz lebensnah. Gut getroffen. Ebenso überzeugend: Jennifer Breitrück als Ann-Kathrin. Ein Mädchen mit Vorsprung an Erfahrung und Selbstbewusstsein, mit Witz und Schlagfertigkeit, der nicht die Rolle der Bösen in diesem Stück zufällt, nur die der Freundin auf eigener Orientierungssuche.

Eine bemerkenswert unverkrampfte Inszenierung. Nicht mal eine Nacktszene im Gegenlicht führt im jugendlichen Publikum zu Übersprungskichern. Das muss man erst mal hinbekommen. Patrick Wildermann

wieder am 24.5. und, 28.5., 18 Uhr, sowie 25. und 26.5., 11 Uhr im Grips Mitte

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