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Kultur: Fragile Klangschönheit

Bachs Matthäus-Passion im Maxim-Gorki-TheaterVON ISABEL HERZFELDMehr als andere Werke der Barockzeit geriet Bachs Matthäus-Passion immer wieder zwischen die interpretatorischen Fronten: Die Dramatik des Geschehens mit den Eckpfeilern der großen Chöre verführt zu monumentaler Klangpracht - gewisses Pendant zu den am Karfreitag auf allen Fernsehkanälen zu bewundernden Historienschinken -, doch wirkliche Empfindsamkeit kann sich nur durch detaillierte Strukturausleuchtung entfalten.Diesen Weg wählt Achim Zimmermann, ohne damit das Werk unterkühlt darzubieten.

Bachs Matthäus-Passion im Maxim-Gorki-TheaterVON ISABEL HERZFELDMehr als andere Werke der Barockzeit geriet Bachs Matthäus-Passion immer wieder zwischen die interpretatorischen Fronten: Die Dramatik des Geschehens mit den Eckpfeilern der großen Chöre verführt zu monumentaler Klangpracht - gewisses Pendant zu den am Karfreitag auf allen Fernsehkanälen zu bewundernden Historienschinken -, doch wirkliche Empfindsamkeit kann sich nur durch detaillierte Strukturausleuchtung entfalten.Diesen Weg wählt Achim Zimmermann, ohne damit das Werk unterkühlt darzubieten.Den zweifach geteilten, sehr beweglichen Chor seiner Berliner Singakademie und die schön herb aufspielende, ebenfalls doppelchörig aufgestellte "Kammersymphonie Berlin" hat er im genauen rhythmischen und doch federnd ausschwingenden Griff.Die großen Chorsätze ziehen so in den Sog eines fast tänzerischen und doch unerbittlichen "Drive", voll scharfer Schmerzensakzente der Holzbläser.Bewunderswert, wie farbig der Chor alle Schattierungen des "O Haupt voll Blut und Wunden" (und anderer Choräle) ausmalt, in prächtiger Polyphonie Volksmassen toben läßt.Markus Brutscher paßt sich dem als perfekter Evangelist genau ein, mit eindringlicher Deklamation und berührender Nuancenvielfalt seines mühelosen Tenors.Ein Höhepunkt wird so das Rezitativ mit Chor "O Schmerz" mit behutsam eingesetzten Schwelltönen und sensibel dynamisierter Koloratur. Doch die Aufführung hat auch Minuspunkte.In der trockenen Akustik des engen Maxim-Gorki-Theaters leidet manchmal die Klangbalance.So kann der Knabenchor zu Beginn von der Galerie aus nicht genügend durchdringen, der chorische Wechselgesang räumliche Wirkung kaum entfalten.Die Flöten, die so präzise phrasierend die Bachsche Lautmalerei - etwa im Stakkato tropfender Tränen - erfüllen können, sind durchweg zu laut.In übereifriger Motorik decken sie die Stimmen von Sharon Mendelssohn, Katharina Kammerloher und Thomas Mehnert zu, die allesamt zu opernhaft dagegen auftrumpfen (Tobias Scharfenberger kann in die Partie des Jesus zu sanfter Streicherbegleitung besser hineinwachsen).Doch das schmälerte wenig die fragile Klangschönheit dieser Aufführung, in deren Ergriffenheitspause nach dem letzten seufzenden Vorhalt der Beifall leider brutal hereinplatzte.

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