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Frank Ocean, 28, arbeitete vier Jahre am neuen Album.

© Ben Stansall/AFP

Frank Oceans neues Album "Blond": Wie schön zwitschern die Vögel

Frank Ocean bringt nach langem Hin und Her sein zweites Album "Blond" heraus, das ursprünglich "Boys Don't Cry" heißen sollte.

Der Mann nervt. Verzögerungen, Ankündigungen, Falschmeldungen – was Frank Ocean im Vorfeld der Veröffentlichung seines zweiten Studioalbums abgezogen hat, war eine irre Geduldsprobe, die schließlich in einem erratisch wirkenden Materialschwall mündete. Zunächst brachte der US-amerikanische Musiker, der seit seinem herausragenden, Grammy-gekürten Debüt „Channel Orange“ von 2012 zu Recht als R-’n’-B-Erneuerer gilt, Ende letzter Woche ein sogenanntes Visual Album namens „Endless“ heraus.

Exklusiv bei Apple konnte man Ocean in einem 45-minütigen Schwarz-Weiß-Video beim Zimmern einer Holztreppe zuschauen, während 18 neue Lieder liefen. Wobei „Device Control“ vom deutschen Fotografen Wolfgang Tillmans stammte und ein zweites ein Isley-Brothers-Cover war. Der Rest bewegte sich im Rahmen seines bekannten Neo-R-’n’-B-Ansatzes.

Inzwischen ist „Endless“ schon wieder aus dem Angebot des Download-Anbieters verschwunden. Dafür gibt es dort seit dem Wochenende das Album „Blond“, das Frank Ocean zudem in Pop-up-Stores in Los Angeles, New York City, Chicago und London verteilen ließ, inklusive eines Magazins. Die Platte, die unter dem Titel „Boys Don’t Cry“ angekündigt worden war, ist genau eine Stunde lang und umfasst 18 Titel, wobei die neuen Stücke nur vereinzelt an den grandiosen Vorgänger heranreichen.

Beyoncé und Kendrick Lamar sind dabei

Die Single „Nike“, die das Album eröffnet, ist so ein Fall. Mit hochgepitchter Stimme singt Ocean über einen langsamen, hallenden Beat. Der assoziationsreiche, sprunghafte Text dreht sich zunächst um Turnschuhe als Statussymbol, driftet zu einer drogenreichen Party, während offenbar auch immer wieder ein weibliches Gegenüber angesprochen wird. Nach drei Minuten verschwindet der Beat, ein Akustikgitarren-Picking beginnt, Ocean singt mit normaler Stimme und rappt schließlich. Ein schillernd-schöner Track.

Das lässt sich auch von der Ballade „Pink + White“ sagen – mit Beyoncé-Seufzern und Vogelgezwitscher im Hintergrund. Die Vögel kommen in „Skyline To“ noch mal zurück, diesmal darf Kendrick Lamar ein bisschen mitmachen, doch das Stück gelangt nicht recht über den Status einer Ideensammlung hinaus. Auch sonst wirkt auf „Blond“ vieles skizzenhaft, als habe Ocean auf der Gitarre oder dem Synthesizer herumprobiert, dazu gesungen und einfach mal „Record“ gedrückt. Beats hat er sich dann oftmals ganz gespart. Und dafür so viel Spektakel?

Das Album lieg im Trend der Spektakel-Veröffentlichungen

„Blond“ scheint der vorläufige Höhepunkt des aktuellen Trends zu sein, Alben auf möglichst aufsehenerregende Weise zu veröffentlichen. Kanye West präsentierte das ebenfalls oft verschobene „The Life Of Pablo“ bei einer Modeschau im Madison Square Garden, Beyoncé brachte ihr Visual Album „Lemonade“ unangekündigt auf Tidal heraus, Radiohead löschten erst ihre Netzpräsenz, um dann schrittweise mit „Moon Shaped Pool“ wieder aufzutauchen ...

Einfach nur ein neues Album herauszubringen, scheint in unserer hypernervösen Zeit nicht mehr zu genügen. Von den meist mit starken optischen Elementen arbeitenden Inszenierungen versprechen sich die Musikerinnen und Musiker eine erhöhte Aufmerksamkeit inmitten des digitalen Ozeans der jederzeit streambaren Popmusik. Doch sie müssen aufpassen, dass sie diese Schraube nicht überdrehen und einen Übersättigungseffekt erzeugen. Zudem kann ein einziger Song mitunter beeindruckender sein als eine Riesensause. So hat Drake mit der Single „Hotline Bling“ mehr Aufsehen erregt als mit dem überlangen Album „Views“.

Es wäre Frank Ocean zu wünschen, dass er sein nächstes Album fokussierter angeht und sein Talent nicht in so viele Richtungen versprengt. Schont auch die Nerven der Fans.

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