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Freut sich aufrichtig über seinen Preis. Bodo Kirchhoff, Autor der Novelle "Widerfahrnis".

© imago/Hoffmann

Frankfurter Buchmesse 2016: Literatur als Überlebensmittel

Wie Bodo Kirchhoff, der mit dem diesjährigen Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, auf der Frankfurter Buchmesse feiert.

Zu den Gepflogenheiten einer Buchmesse gehört, dass sie nicht nur so viel Stardom wie möglich in ihren Hallen versammelt (zum Beispiel David Hockney, Donna Leon, Bruce Springsteen), sondern selbst Stars produziert. So wie Bodo Kirchhoff, der am vergangenen Montag den Deutschen Buchpreis für seine Novelle „Widerfahrnis“ gewonnen hat und nun von Stand zu Stand gereicht wird, weil natürlich alle den Buchpreisträger sprechen und präsentieren wollen. Man muss dabei „Widerfahrnis“ nicht schätzen, ja, man darf sich immer noch wundern darüber, dass Kirchhoff ausgerechnet für dieses Buch ausgezeichnet worden ist.

Aber wie der 68-jährige Schriftsteller mit diesem Preissegen und den damit verbundenen Verpflichtungen umgeht, ist ungemein sympathisch. Der Mann freut sich. Selbstverständlich, das tun alle, die einen großen Preis gewinnen. Aber Kirchhoff scheint sich wirklich über die Maßen zu freuen, ungeschützt, offen, wie ein Junge, obwohl er ein erfahrener, reifer Schriftsteller ist, mit inzwischen 19 Buchveröffentlichungen. Einer, der den ganzen Zirkus eigentlich kennt, der mit „Infanta“ oder „Parlando“ schon vor Jahrzehnten große, viel besprochene, diskutierte und im Betrieb herumgereichte Bücher geschrieben hat.

In einem Interview spricht der Autor von "Widerfahrnis" nun davon, dass er die Nacht vor der Verleihung nicht schlafen konnte (Aufregung!) und auch die Nacht danach nicht (noch mehr Aufregung!), und immer wieder sagt er auf der Messe, dass der Preis für ihn eine „Erlösung“ gewesen sei, weil er es einem anderen seiner Bücher, nämlich „Die Liebe in groben Zügen“, schon gewünscht hatte. Er habe zwar ein gewisses Alter, aber der Zeitpunkt für so einen Erfolg könne nie falsch sein. Zumal er nun die Chance erhalte, „in den nächsten Jahren schreiben zu können, was ich will“.

Man spürt, Bodo Kirchhoff lebt für seine Literatur

Man spürt bei vielen seiner Aussagen, dass Kirchhoff sein Schreiben, seine Literatur lebt, dass er dafür lebt. So wie es auf einer der vielen Frankfurter Partys ein Verleger sagt: Es geht um Leidenschaft in diesem Beruf, nicht nur beim Bücherschreiben, sondern bei allem, was mit dem Produzieren und Verlegen und nicht zuletzt mit dem Lesen von Büchern zu tun hat. Und vielleicht darum, gar nicht anders zu können.

So wie der 1972 geborene und in Gent lebende flämische Schriftsteller Dimitri Verhulst. Er erzählt auf einem der vielen Verlagsessen ähnlich ungeschützt und offen wie Kirchhoff, dass er im Alter von sechs Jahren zum Schreiben gekommen sei und es dann immer als Ausweg aus einer schlimmen Kindheit und Jugend mit einem Alkoholiker als Vater und in Heimen und bei Pflegeeltern betrachtet habe. Über zwanzig Bücher hat Verhulst in seinen vergleichsweise jungen Jahren schon geschrieben, darunter den autobiografischen Roman „Die Beschissenheit der Dinge“.

Wenn man sich mit Verhulst unterhält, kann man nicht zuletzt auf den Gedanken kommen, dass Literatur auch eine Art Überlebensmittel ist.

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