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Kultur: Frankfurter Buchmesse: Babel & Co

Heute wird in Frankfurt am Main vom polnischen Nobelpreisträger Czeslaw Milosz die 52. Internationale Buchmesse eröffnet.

Heute wird in Frankfurt am Main vom polnischen Nobelpreisträger Czeslaw Milosz die 52. Internationale Buchmesse eröffnet. Wie immer gibt es viele vertretene Verleger und so manchen verlegenen Vertreter. Denn nicht alles, was verlegt wird, lässt sich auch vertreten. Und so manches, was sich sowohl verlegen wie vertreten lässt, wird gleich wieder vergessen, kaum hat es das Licht des Marktes erblickt. Deshalb will ich an den deutsch-polnischen "Wunderbaren Hund" erinnern, an den vor sieben Jahren schon einmal erinnert wurde, und zwar von einem, an den man derzeit nicht erinnern muss. Das war jetzt kryptisch, also von vorn, ganz von vorn: Im Jahr 1633 tauchten Berichte über einen polnischen Steuereintreiber auf, dem eine unrechtmäßig konfiszierte Viehherde eingegangen sei, der deshalb Gott geflucht habe und zur Strafe in einen schwarzen Hund verwandelt worden sei. Die Geschichte kursierte lange Zeit in verschiedenen Varianten auf Flugblättern, in Romanen und Volksbüchern, bis sie 1733 als "Der wunderbare Hund" in einer Fassung herauskam, die als Übersetzer aus dem Polnischen einen gewissen Cosmo Pierio Bohemo fingierte. Hinter dem wiederum verbirgt sich wahrscheinlich der vergessene Barockier Wolfgang Caspar Printz, der zu diesem Zeitpunkt zwar nicht mehr lebte, aber selbst eine hundsmäßige Vorlage, nämlich den Schelmenroman "Güldner Hund" (in der Tradition des "Goldenen Esels" von Apuleius) hinterlassen hat. Der "Wunderbare Hund" von 1733 wurde 1993 in Katharina Wagenbachs Friedenauer Presse neu herausgebracht, und zwar von Michael Kumpfmüller, eben dem, an den man derzeit nicht erinnern muss.

Kehren wir, wiederum auf polnisch, mit einer Geschichte über die 70er und 80er in die Jetztzeit zurück. Am Sonntag um 11 Uhr liest Witold Horwarth, geboren 1957, in der Humboldt-Bibliothek (Karolinenstr. 19 in Tegel) aus seinem Roman "Séance". Es handelt sich um eine Liebesgeschichte, um eine polnische Liebesgeschichte wohlgemerkt. In Polen hat 1980 (Sie erinnern sich an die Fernsehbilder dieses Kriegsrechtsgenerals mit den dunklen Gläsern?) das begonnen, was jetzt vom Nachzügler Serbien beendet wird. Übrigens finde ich es merkwürdig, wie schnell Belgrad im Ranking der TV-Nachrichten wieder nach hinten gerutscht ist. Es fehlen halt die Krawallbilder. Die liefert derzeit der Nahe Osten.

Wie werden Nachrichten gemacht? Das versucht Alexander Osang in einem Kolportageroman zu erzählen. Die Qualifizierung als "Kolportage" muss nicht unbedingt abwerten, Balzac hat viel davon geschrieben, wenn auch sein Journalistenroman "Verlorene Illusionen" nicht dazu zählt. Auch bei Osang werden Illusionen verloren, das gehört zum Klischee. Dabei ist es wohl eher so, dass diejenigen, die auf dem Karriereweg ihre Illusionen verlieren, in Wirklichkeit nie welche hatten: Ohne Illusionen, so müsste der Journalistenroman eines neuen Balzac heißen. Natürlich ist der Roman eines erfolgreichen Reporters wie Alexander Osang eigentlich immun gegen Kritik, weil die Kritik eines literarischen Journalisten an einem journalistischen Literaten ganz automatisch Neidverdacht hervorruft. Osang liest am Montag um 20 Uhr in der Kulturbrauerei.

Bruno Preisendörfer

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