zum Hauptinhalt
Die Frankfurter Buchmesse und die Gesetzmäßigkeiten des Pop.

© imago/Manfred Segerer

Frankfurter Buchmesse: Das Buch und die Gesetzmäßigkeiten des Pop

Glamourös muss es zugehen, schnell muss es gehen, nächste Woche gibt es wieder neue Stars. Ein Kommentar zur Frankfurter Buchmesse.

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Wenn am Sonntag die Publizistin Carolin Emcke in der Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält, wird die Frankfurter Buchmessenfamilie ganz bei sich sein und sich in ihrem Selbstverständnis bestätigt sehen. Zu dem gehört, dass sie politisch ist, dass sie sich beispielsweise mit Emcke aktuell gegen den Hass, gegen aggressiv-populistische Tendenzen in der Gesellschaft positioniert. Und dass sie, das ist stets ihr oberstes Gebot, für die Freiheit des Wortes eintritt. So hat sie gerade in Form einer Petition im Internet Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Juncker ermahnt, die Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei stärker anzuprangern.

Man kann das gar nicht genug begrüßen – und doch ist die Buchmesse ihrem Wesen nach weniger eine politische Veranstaltung mit sowieso wenig Einfluss als vielmehr ein alljährlich stattfindendes Spektakel. Liebend gern hätte man es gesehen, dass Bruce Springsteen nicht nur vor ausgewählten Medien über seine Autobiografie spricht, sondern auch in den Messehallen auftritt, gar ein kleines Konzert gibt. Doch der Boss wollte nicht. Dafür gab sich der britische Pop-Maler David Hockney die Ehre, und zwar schon vor Messebeginn auf der traditionellen Eröffnungspressekonferenz. Auf der hatte ein Jahr zuvor noch der lange vom iranischen Regime verfolgte und mit dem Tod bedrohte Schriftsteller Salman Rushdie eine Rede gehalten. Rushdie, Springsteen, Hockney – passt das?

Hoher Promifaktor

Der hohe Promifaktor sorgt für Aufsehen. Es geht der Frankfurter Buchmesse nicht zuletzt darum, sich als erfolgreiches Unternehmen zu präsentieren. Sie muss stetig neue Geschäftsfelder erschließen, neue Ideen kreieren, als Aushängeschild einer Branche, die auf einem stabilen, aber stagnierenden Markt agiert. Die Zukunft des Buches, sie findet sich nicht mehr allein zwischen zwei Buchdeckeln, auf Papier – sie ist multimedial. Andere Kunstformen kommen dazu, weshalb es dieses Jahr etwa die „Arts+“-Messe gab. Dort sollen Museen, Galerien und andere Kunstinstitutionen mit der Buchwelt in Verbindung gebracht werden.

Erstaunlich dabei ist, dass die Buchbranche eine Zukunft gut im Griff hat: die digitale. Das E-Book ist eine Selbstverständlichkeit geworden, es wird gemeinsam mit dem gedruckten Buch angeboten, manchmal gar für ein paar Euro weniger – und von einem E-Book-Siegeszug kann keine Rede mehr sein. Die Anteile stagnieren in den USA bei 30 Prozent verkaufter Bücher, in Deutschland bei noch nicht einmal zehn Prozent. Trotzdem hat die Schnelligkeit, die Schnelllebigkeit der digitalen Welt ihre Auswirkungen auf den Buchmarkt und die Buchproduktion. Viele Titel werden kurzfristig angeboten, aggressiv beworben und verschwinden genauso schnell wieder vom Radar der Aufmerksamkeit. Wenn der Literaturnobelpreis für Bob Dylan die Kanonisierung von Pop weiter vorantreibt, so folgen Buchbranche und Literaturwelt zunehmend den Gesetzmäßigkeiten von Pop. Glamourös muss es zugehen, schnell muss es gehen, nächste Woche gibt es wieder neue Stars. In dieses Bild passt der Erfolg des frisch gekürten Deutschen Buchpreisträgers Bodo Kirchhoff mit seiner Novelle „Widerfahrnis“. Ganz Deutschland will das Buch, kauft das Buch – nur der Verlag braucht Zeit, um es nachzudrucken. Bei Amazon ist „Widerfahrnis“ gerade nicht lieferbar.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false