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Eine Frau sortiert auf der Buchmesse in Frankfurt am Main Bücher im Pavillon des Gastlandes Brasilien. Die weltweit größte Messe ihrer Art dauert noch bis 13. Oktober.

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Frankfurter Buchmesse: Unsere Bücher leben noch

Uschi Obermaier, Günter Grass, Terézia Mora und all die anderen: Wer kommt zur Frankfurter Buchmesse, die am Dienstagabend eröffnet wurde? Und wer glänzt durch Abwesenheit?

Muss man sich in diesen ach so hochdigitalisierten Zeiten Sorgen um die 65. Frankfurter Buchmesse machen? Natürlich nicht, bietet die Digitalisierung doch nach wie vor Anlass für unzählige Gespräche, in den Verlagskojen genauso wie bei der Eröffnung am gestrigen Dienstagabend (mit Noch-Außenminister Guido Westerwelle, dem brasilianischen Vizepräsidenten Michel Temer und Brasiliens Kulturministerin) oder all den Veranstaltungen zu diesem Thema. Aber analog läuft es schon ein bisschen schwer an. Die Ausstellerzahlen sind leicht rückläufig, von 7100 Ausstellern aus 100 Ländern ist die Rede (im Vorjahr waren es 7300). Auch Besucherrekorde strebt Buchmessendirektor Jürgen Boos nicht mehr an und rechnet mit circa 280 000 Menschen.

Auch der Glamfaktor ist im Vergleich zu 2012 geringer geworden: kein Arnold Schwarzenegger, kein Rainald Goetz in Sicht. Ausgerechnet Paulo Coelho hat abgesagt, einer der erfolgreichsten Schriftsteller aller Zeiten, dessen Heimat auch noch das diesjährige Gastland Brasilien ist. Er kommt nicht, aus Protest gegen die Einladungspolitik Brasiliens und der Messe. Ob es für die Fans des Verfassers zahlreicher Selbstfindungs-Romane ein Trost ist, dass sein Schweizer Verlag quasi als Ersatz „die sechs erfolgreichsten Romane“ Coelhos im Schuber herausgibt? Fragt sich nur: Hat die nicht schon jeder?

Uschi Obermaier ist für fünf Buchmessen-Termine gebucht

Und noch ein prominenter, wenn auch in der Literatur nicht gerade beheimateter Autor wird fehlen: Muhlis Ari, in Deutschland unter dem Namen Mehmet bekannt. Seine Autobiografie heißt „Sie nannten mich Mehmet“. Darin schildert der 29-jährige, in München geborene Ari, wie er in den Neunzigern in Neuperlach aufwuchs, durch zahlreiche Straftaten bekannt und 1998 in seine vermeintliche Heimat abgeschoben wurde, ohne ein Wort Türkisch zu können. Er kehrte zurück, wurde 2005 wegen abermaliger Straftaten verurteilt, ging erneut in die Türkei, diesmal aus freien Stücken. Ari wäre gern nach Frankfurt gekommen, um sein Buch vorzustellen, aber die bayrischen Behörden weigerten sich, den Haftbefehl auszusetzen. Und die Stadt Frankfurt hieß ihn auch nicht willkommen.

Deshalb wird der Messebesucher mit anderen Gelegenheits- und Lebensbuchschreibern vorliebnehmen müssen, vornehmlich aus deutschen Landen: Uschi Obermaier zum Beispiel ist für gleich fünf Termine gebucht. Sie stellt ihr Buch „Execpt Nothing“ vor. Laut Verlag bringt sie darin „ihre Lebensphilosophie auf eine abgeklärte, aber auch humorvoll-ironische Kurzformel“. Also: Lebe wild, bereue nichts, vermarkte dich wild. Letzteres versucht auch Boris Becker seit dem Ende seiner Tenniskarriere unaufhörlich. Seine schon zweite Autobiografie heißt „Das Leben ist kein Spiel“ – allein in diesem Satz steckt die gesamte Bobbele-Tragik. Nein, das Leben nach dem Tennis meint es nicht gut mit ihm.

Der Bücherherbst ist einer der stärksten seit Jahren

Vielleicht noch vergessener, dafür um so wiederentdeckenswerter: Christiane Felscherinow aka Christiane F.. Das Mädchen von Bahnhof Zoo stellt in Frankfurt „Mein zweites Leben“ vor – das Wörtchen „Leben“ darf bei Autobiografien nie fehlen –, und dass auch dieses Leben bisher kein Spiel war, ahnt man schon vor der Lektüre. Felscherinow könnte also den einen oder anderen Auflauf verursachen; um diesen müssen sich notorische Messegäste wie Wolfgang Joop oder Gaby Hauptmann schon mehr sorgen, sie gehören zum Messezirkus dazu wie die überteuerte Rindswurst vor den Hallen oder der oft mäßig gute Weißwein auf den Messeparties.

Buchpreisgewinnerin Terézia Mora wird nun von Stand zu Stand gebeten.

Womit wir bei den Schriftstellern wären, etwa der Deutschen Buchpreisgewinnerin Terézia Mora, die nun fünf Messetage lang von Stand zu Stand, von Sofa zu Sofa gebeten wird. Oder bei dem unermüdlich schreibenden und tourenden Martin Walser, der es sich auch im Alter von 87 Jahren nicht nehmen lässt, seinen neuen Roman „Die Inszenierung“ vorzustellen. Die letzte Tinte hat er noch lange nicht verbraucht – anders als sein Generationsgenosse Günter Grass, der die jüngsten gesundheitlichen Probleme überwunden zu haben scheint. Grass stellt am Freitag um 17 Uhr am Stand des Steidl-Verlags die 50-Jahre-Jubiläumsausgabe seiner „Hundejahre“ vor. Die legendäre, 1930 in Essen geborene italienische Verlegerin und Fotografin Inge Feltrinelli wird ebenfalls dort sein und ihr Buch „Mit Fotos um die Welt“ präsentieren. Am Samstag um 12 liest Grass nochmals aus seinem Roman.

Na also, da geht doch was, auch bei dieser Frankfurter Buchmesse. Schließlich kommen viele der Autoren, die diesen Bücherherbst zu einem der stärksten seit vielen Jahren machen: Swetlana Alexijewitsch, Jo Lendle, Hans Pleschinski, Clemens Meyer, Brigitte Kronauer, Carolin Emcke, Marion Poschmann, Christopher Clarke, Rüdiger Safranksi undundund. Und schließlich findet trotz aller Suhrkamp-Turbulenzen auch dieses Jahr der Kritikerempfang in der Unseld-Villa in der Klettenbachstraße statt.

Glückliche Siegerin. Terézia Mora gewann für ihren Roman "Das Ungeheuer" am Montag den Deutschen Buchpreis.
Glückliche Siegerin. Terézia Mora gewann für ihren Roman "Das Ungeheuer" am Montag den Deutschen Buchpreis.

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Piper Verlag veröffentlich pünktlich zur Buchmesse seine Frühjahrs-Vorschau

Und natürlich wird am Donnerstag wieder der Literaturnobelpreis verkündet, um Punkt 13 Uhr. In welcher Ecke der Messe dann Jubel ausbricht? Wetten auf den Gewinner möchte man nicht. Höchstens darauf, dass der Geehrte in Frankfurt sicher nicht zugegen sein wird. Und vielleicht darauf, dass der Nobelpreisjubel nicht am Stand des Piper Verlags ausbricht.

Dafür hat sich der Piper Verlag anderweitig hervorgetan und als erster deutscher Verlag pünktlich zur Herbstmesse seine Frühjahrs-Vorvorschau 2014 verschickt. Angekündigt werden Titel u. a. von Franka Potente und Susanne Tamaro. Eine griffige Strategie in puncto Digitalisierung haben die Verlage bis heute nicht. Ihrer Zeit sind sie trotzdem voraus. Schließlich gehört das zum alltäglichen analogen Buch- und Verlagsgeschäft.

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