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Orchestre Philharmonique de Radio France mit Mikko Franck

© C. Abramovitz / RF

Frankreich zu Gast in der Philharmonie: Das sanfte Wogen des Walzers

Grandios: Das Orchestre Philharmonique de Radio France zu Gast in der Philharmonie. Dass Mikko Franck im Sitzen dirigieren muss, tut der Intensität seiner Leitung keinen Abbruch.

Chapeau, Mesdames et Messieurs: Was für eine grandiose Klangkultur! Das Orchestre Philharmonique de Radio France eröffnet sein Berlin-Gastspiel am Montag in der Philharmonie mit einer vollendeten Darbietung von Maurice Ravels „Ma mère l'oie“. Ungemein weich und geschmeidig entfaltet sich die impressionistische Tonmalerei, fast schon körperlos schwebend.

Die Suite mit dem Märchensujet aus dem Jahr 1912 ist extrem raffiniert instrumentiert – und darum ein Paradestück großer Orchester. Besser noch als die Berliner Philharmoniker, die dank Simon Rattles Faible für die Epoche eigentlich als unschlagbar im Bereich der französischen Musik um 1900 gelten, vermögen die Gäste aus Paris die Nuancen dieser duftigen Komposition heraufzubeschwören: mal narkotisch-betörend im „Feengarten“, mal mit exotischer Note bei der „Pagodenprinzessin“, dann wieder genuin französisch im sanften Wogen des Walzers.

Mikko Franck, der seit dem Herbst 2015 künstlerischer Leiter des Orchestre Philharmonique de Radio France ist, hat sich perfekt in den Charakter des Ensembles eingefühlt und vermag dessen Qualitäten darum auch auf Tschaikowskys sechste Sinfonie zu übertragen: Heller, durchsichtiger als gewohnt ist der akustische Eindruck und das, obwohl Mikko Franck durchweg radikal langsame Tempi wählt. Kein dunkles Brüten der russischen Seele wird hier zelebriert, ästhetisch rückt diese „Pathetique“ ganz nahe an Hector Berlioz’ „Fantastique“.

Komposition vom Typ Eiche rustikal

Dass seine Rückenprobleme Mikko Franck dazu zwingen, im Sitzen zu dirigieren, mag optisch zunächst irritieren, fällt interpretatorisch aber überhaupt nicht ins Gewicht. Im Gegenteil: Auch mit reduziertem Körpereinsatz kann der 1979 in Helsinki geborene Dirigent eine größere Aufführungsintensität erreichen als so mancher Podiumstänzer. Souverän disponiert er die Spannungskurven, lässt den Melodien Raum zum Atmen, bedenkt auch die Nebenstimmen mit liebevoller Aufmerksamkeit.

Max Bruchs G-Moll-Violinkonzert allerdings vermag auch Mikko Franck keine Leichtigkeit zu geben. Bei dem Wunschkonzert-Hit von 1868 handelt es sich nun einmal um eine Komposition Eiche rustikal.

Also beschwört er mit seinen Pariser Musikerinnen und Musikern eindringlich die dunkle Romantik deutscher Wälder, erdschweren und nebelverhangenen – und ermöglicht dadurch der Solistin Hilary Hahn, um so schöner, um so betörender mit ihrem makellos reinen Geigenton zu glänzen. Im Adagio erst als engelhafte Jungfrau, im Finale dann – zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust! – als leidenschaftliche Loreley.

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