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August Mackes „Frau des Künstlers mit Hut“ (1909)

© LWL Museum, Münster

Ausstellung im Lenbachhaus München: Macke und Marc: Die Befreier der Farbe

Eine Freundschaft wie die zwischen August Macke und Franz Marc gibt es nur alle 100 Jahre in der Kunstgeschichte. Und trotzdem waren ihre Werke noch nie so umfassend vereint zu sehen wie jetzt im Münchner Lenbachhaus.

Am 26. September 1914 fällt der Feldwebelleutnant August Macke in Nordfrankreich, am 4. März 1916 Leutnant Franz Marc bei Verdun. Macke wurde in einem Massengrab beerdigt, Marc beim Truppenquartier, so dass seine Witwe Maria Marc die sterblichen Überreste 1917 auf den Friedhof des bayerischen Kochel überführen konnte. Da besaßen die Marcs ein Haus, 1914 erworben, als die Künstlerkarriere Franz Marcs so richtig in Fahrt kam.

Mit dem doppelten Soldatentod an der Westfront endeten nicht nur zwei Künstlerleben, deren beste Leistungen für die Zukunft noch zu erwarten waren. Es endete auch eine Freundschaft, wie es sie seit der deutschen Romantik ein Jahrhundert zuvor wohl kaum gegeben hatte. Gerade wird die Beziehung zwischen Caspar David Friedrich und Johann Christian Dahl in Dresden beleuchtet, nun folgen Franz Marc und August Macke zuerst in Bonn und jetzt in München. Und wie Friedrich und Dahl sind auch Macke und Marc wenn schon nicht entgegengesetzt, so doch durchaus von unterschiedlichem Temperament. Marc gehört zum Kern der kunsttheoretisch ausgerichteten Gruppe „Der Blaue Reiter“, Macke zählt den eher lose verbundenen „rheinischen Expressionisten“ zu. Marc sucht das Wesen hinter den Dingen, den Geist hinter der physischen Existenz; Macke liebt Erscheinung, Augenreiz, das Spiel der Farben.

Die Befreier der Farbe

Und dennoch spüren sie die Geistesverwandtschaft. Es geht um die Farbe, um ihre Befreiung vom Dienst am bloßen Abbild. Noch malt Marc keine gelben Kühe, doch Macke sieht bereits blaue Hausdächer. Und Katzen hatten sie bereits beide gemalt, im Jahr 1909. Jetzt, in der Ausstellung „August Macke – Franz Marc. Eine Künstlerfreundschaft“, die im unterirdischen „Kunstbau“ des Münchner Museums Lenbachhaus gezeigt wird, kommen sich beide Maler gerade in ihren tastenden Anfängen ganz nahe. Macke malt fortan in kräftigsten Farben, was er vor sich sieht; Marc hingegen, in bald ähnlich starkem, doch immer eine Spur gedämpfterem Kolorit das, was er in den Dingen, und letztlich, was er in sich sieht.

Franz Marc, "Pferd in Landschaft" (1910)
Franz Marc, "Pferd in Landschaft" (1910)

© Museum Folkwang, Essen

Macke und Mark: eine Freundschaft der Moderne

Nie zuvor ist beiden Künstlern, deren Freundschaft doch zur Grunderzählung der Moderne in Deutschland gehört, eine umfassende Ausstellung gewidmet worden, die beider Lebenswerk vereint. Und in der Tat frappiert ja auch, wie unterschiedlich beide waren. Dass Macke mehrfach bunte Schaufensterauslagen malt, ist ebenso bezeichnend wie Marcs Hinwendung zur Tierwelt als der besseren, unverdorbeneren Seinsform. Marc ist denn auch derjenige, der die kommende Katastrophe Europas seismografisch spürt, der 1913 eines seiner Tierbilder unmittelbar mit dem Balkankrieg dieses Jahres in Verbindung bringt.

Zuvor hatten die beiden Künstler 1912 ein Wandbild in Mackes Bonner Atelier gemalt, Marc dabei eher mehr, mit dem Thema „Paradies“. Das dürfte auf Marc zurückgehen, der sich gegen Mackes ursprünglichen Gedanken einer biblischen Szene ausgesprochen hatte. Das harmonische Zusammenleben von Mensch und Tier und dessen Verortung in einem jenseitigen Paradies – das ist Marcs Gedankenwelt. Heute im Museum Münster bewahrt, kann das rund zwei mal vier Meter messende Wandbild nicht ausgeliehen werden und bildet doch einen Schlüsselmoment dieser Künstlerbeziehung.

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Dia Ausstellung ist ein Kraftakt gegen die Sehgewohnheit

Die gelben Kühe und blauen Pferde Marcs sind seit Jahrzehnten schon zu Souvenirkitsch herabgewürdigt, bei Mackes Szenen aus dem Zoo ist Ähnliches im Gange. Insofern ist die Münchner Ausstellung auch ein Kraftakt gegen die Sehgewohnheit. Macke gewinnt zumal in München als Kolorist an Statur, während Marcs Sonderstellung – vor Jahren schon vom Lenbachhaus mit einer überwältigenden Retrospektive befestigt – unangefochten bleibt. Was die Ausstellung deutlich macht, ist der Gewinn, der aus der gegenseitigen Anregung gezogen wird, und was sie schuldig bleibt, sind die weiteren Einflüsse, insbesondere aus Paris und der farbtrunkenen Malerei etwa eines Robert Delaunay. Denn darüber haben sich beide Künstler intensiv ausgetauscht, und zumal der Rheinländer Macke wusste über die sprunghafte Entwicklung in Paris bestens Bescheid.

Internationale Aufmerksamkeit aber fanden beide dann in Berlin, in Herwarth Waldens „Erstem deutschen Herbstsalon“ (1913). Sieht man beider Bilder aus diesem Jahr, wird das kommende Unheil greifbar. In Farben, die so leuchtend und geradezu schmerzhaft nie wieder gemalt werden konnten, und doch in den zunehmend ungegenständlichen Bildern Marcs wie Mackes noch ein letztes Mal das Paradies beschwören, das beide für sich in der reinen Farbe entdeckten. „Mit seinem Tode“ – schrieb Franz Marc in seinem ergreifenden Nachruf auf den Freund im Oktober 1914 – „knickt eine der schönsten und kühnsten Kurven unserer deutschen künstlerischen Entwicklung jäh ab; keiner von uns ist imstande, sie fortzuführen“.

München, Lenbachhaus, Kunstbau, bis 3. Mai. Katalog bei Hatje Cantz, 360 Seiten, 25 €, im Buchhandel 39,80 €.

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