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Kultur: "Frau unter Einfluss": Ich will nicht mehr kochen

Immer wieder drei Schwestern. Diesmal im Western.

Von Sandra Luzina

Immer wieder drei Schwestern. Diesmal im Western. René Pollesch könnte man ganz altmodisch als Frauenregisseur bezeichnen. Qualifiziert für diese Aufgabe hat er sich mit "Drei hysterische Frauen". Und kommt zu keinem Ende. Seit Jahren erarbeitet er Theaterprojekte ausschließlich mit Frauen, am liebsten mit dreien. Bezog sich seine vorige Produktion "Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr" auf den Film "Alice lebt hier nicht mehr" von Martin Scorsese, so zitiert seine neue Arbeit "Frau unter Einfluss" den Titel eines John-Cassavetes-Films. Natürlich schreibt Pollesch diesen Film nicht fort. Mit Cassavetes geht er über ihn hinaus. Sich abstoßend von der Liebesphilosophie von "Love Streams", dringt Pollesch zu seinem eigentlichen Thema vor. Fragt wieder nach dem Zusammenhang von weiblicher Arbeit und Sexualität in einer Männer-Ökonomie, deren Verwertungs- und Vermarktungszwänge Pollesch selbst im Privatesten aufspürt.

Bert Neumann hat die Westernfilm-Kulisse im Prater erweitert. Man stapft durch echten Sand vorbei an Plastik-Kakteen, da steht eine Holzhütte, die weniger an Bonanza als an einen Volksbühnen-Bungalow erinnert. Das Pollesch-Leitmotiv "Zuhause ist kein freundlicher Ort" erhält in dieser Cowboy-Kulisse seine komische Beglaubigung. Diesmal wird es von Annekathrin Bürger, Sophie Rois und Cordelia Wege variiert. Auf Monitoren läuft ein Vorspann, eine Kreuzung aus Western und Soap-Opera, der drei weibliche Stereotypen einführt: süßes Mädel, junge Mutti im Blümchenkleid und Ranch-Matriarchin in Stiefeln. Sophie Rois nimmt gleich die angemessene Haltung für eine renitente Frau ein: Sie sitzt, ach was, sie reitet auf einem Sattel. Und legt los. Fährt fort mit dem unendlichen weiblichen Text, der sich durch die Pollesch-Stücke zieht. Wenn die Schwestern ihre Lage erörtern, dann wird keine subjektive Befindlichkeit ausgebreitet, sondern Gesellschaftsanalyse mit wütendem Witz munitioniert.

"Du bist eine Frau unter Einfluss!" klingt wie ein Schlachtruf. Es beginnt die große Verweigerungs-Rede. Die drei Frauen hocken vor der Heim-Kulisse und rufen aus: Ich will nicht mehr kochen für Sex, ich will nicht mehr zuständig sein für Gefühle in einer Männer-Ökonomie, ich will nicht mehr mein lächelndes Gesicht zeigen. Ich will nicht mehr denken, die Liebe ist ein Fluss, der unendlich fließt. Pollesch ruft den Frauen zu: Dereguliert Euch. So erleben wir Sophie dereguliert. Sie ist ohnehin die personifizierte Abweichung. Wie sie das Dilemma der weiblichen Existenz bloßlegt, zwischen Anpassung und Aufbegehren schwankt, das ist gelenkig-intelligenter Slapstick: Feminismus getarnt als Klamotte. Will sie Stärke demonstrieren, wirkt sie besonders schwach und hilfsbedürftig. Will sie sich entfesseln, stellt sie sich selbst ein Bein. Will sie auf der Bowlingbahn Sex signalisieren, wird ihr bewusst, dass sie sowieso immer Sex signalisiert - und schon verstrickt sie sich in einen aussichtlosen Kampf mit sich selbst und der Bowlingkugel. Das Leben als Frau ist einfach nicht zu ertragen! Sich diesen Frust immer wieder vom Leibe zu schreien, daraus beziehen die Frauen einen großen Lustgewinn. Und das Publikum. Bei der Premiere hatten die Darstellerinnen noch Mühe mit dem Text, den man schnell sprechen muss und bei dem man vor allem das Denken nicht mitspielen darf. Annekathrin Bürger und Cordelia Wege spielten zu kontrolliert. Also bitte: Weiter deregulieren! Dann könnte es ein wunderbarer Abend werden.

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