zum Hauptinhalt

Kultur: Frauen im Film: Erlösen, sagt sie

Diese Augen, so groß und braun. Rehaugen mit Unschuldsblick.

Diese Augen, so groß und braun. Rehaugen mit Unschuldsblick. "Amelie" erlöst die Welt, seit diesem Donnerstag auch uns deutsche Kinobesucher. Schön, dass es solch selbstlose Frauen noch gibt: Samariterinnen nach Art von Mutter Theresa, die nicht als genügsame Arbeitstiere daherkommen, sondern im Fall der Wohltäterin vom Montmartre als hübsche, kleine Französin.

Ideologiekritik ist out, sagen meine Freunde, wenn ich aus dem Kino komme und seufze. Sie haben ja Recht. Dummerweise hat sich das, was die gender studies damals provozierten, immer noch nicht erledigt. Und jetzt klagt auch noch Doris Lessing darüber, dass wir Frauen immer klagen. Verehrte Frau Lessing, ich empfehle Ihnen einen Blick auf die diesjährige Kino-Sommerkollektion, nach dem sie sich kaum noch über die zickig-feministische Abwertung des männlichen Geschlechts aufregen dürften. Es sind nämlich die Frauen, mit deren Wertschätzung es nicht weit her ist.

Wen haben wir da? Zu Amelie gesellt sich Sara in "Sweet November", die das vertrocknete Herz des Workaholics Keanu Reeves erweicht. Ein Wirbelwind von Frau - die nach getaner Arbeit sichtlich verfällt und an Krebs stirbt. Erst hat sie alles unter Kontrolle, dann einigen sich die Männer darauf, dass man ihr angesichts ihrer Krankheit "die Illusion der Kontrolle" doch getrost lassen solle.

In "The Score", "The Mexcian" und "Jurassic Park 3" machen die Frauen den Abenteurern, Gangstern und Forschern das Leben schwer, als Ignorantinnen oder gar Hysterikerinnen ohne jedes Verständnis fürs Heldentum. Ein Mann hat einen Auftrag, und dann kommt ein Weib und sagt: entweder ich oder dein Job. In den Hollywoodfilmen der achtziger Jahre nahmen die Frauen sich, was sie wollten und bedrohten ihre Liebhaber mit verhängnisvollen Affairen. Das machte sie so gefährlich, dass sie mit einem gewaltsamen Tod bestraft werden mussten. Jetzt sind es die eigenen Schwächen, denen sie zum Opfer fallen. In "Blow" leistet eine muntere, lebenstüchtige Franka Potente Starthilfe für die Drogenkarriere von Johnny Depp - um prompt den Kokaintod zu erleiden. Ansonsten ist Johnny von bösen Müttern umgeben. Kaum, dass seine Angetraute Penelope Cruz ein Kind bekommt, lässt der Film ihr die gleiche Häme und Geldgier angedeihen, mit der bereits ihre Schwiegermutter den Helden ins Verderben geschickt hatte. Zum Karitativen gesellt sich die Karikatur. "Put the blame on Mame, Babe": Es gab einmal Zeiten, da wurde mit solchen Mustern raffiniert-fröhlich gespielt.

Bleiben die Komödien. In "Männerzirkus" rächt sich Ashley Judd an allen untreuen Lovern dieser Welt, indem sie gnadenlose Kolumnen über deren Bullenverhalten verfasst. Aber dann leistet sie fernsehöffentlich Abbitte für ihre treffenden Worte und unterwirft sich. "Männerzirkus" wird gerne mit den Screwball-Komödien von Spencer Tracy und Katharine Hepburn verglichen. Man stelle sich vor, Katharine hätte sich nach den Redeschlachten bei Spence entschuldigt!

Die Knarre geht nach hinten los

Also backlash, wohin das Frauenauge blickt? Zum Glück gibt es die Prinzessin in "Shrek", die sich den Männerfantasien mittels Zeichentricktechnik überraschend entzieht - und damit das Herz ihres Liebsten gewinnt: Im Reich der Oger besteht noch Hoffnung. Und es gibt Julia Roberts in "The Mexican". Gut, sie wird zur Geisel genommen, im Tausch gegen eine kostbare Pistole. Aber sie dreht den Spieß um. Man bemerke die drastisch-freche Sexual-Symbolik: Die verfluchte Knarre geht immer nach hinten los, eine männliche Waffe, die nicht funktioniert. Bis Julia sie in die Finger bekommt und den Fluch mit einem gezielten Schuss aufhebt - auch sie eine Erlöserin. Aber sie hat den Finger selbst am Abzug. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann streiten sie noch heute.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false