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Kultur: Frauen in Hosen, Jugendkult und der ständige Blick auf die Uhr

Sind Modetrends Eintagsfliegen oder Ausdruck tiefgehender Strömungen? Auf eine kurze Entfernung sind die Zusammenhänge schwer zu erkennen.

Von Susanna Nieder

Sind Modetrends Eintagsfliegen oder Ausdruck tiefgehender Strömungen? Auf eine kurze Entfernung sind die Zusammenhänge schwer zu erkennen. Das Bild wird jedoch klarer, wenn man einen größeren Zeitraum betrachtet. Selbst eingefleischte Modeverächter müssen zugeben, dass die modischen Veränderungen eines ganzen Jahrhunderts kein Firlefanz sind, sondern Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen. Im 20. Jahrhundert stößt man immer wieder auf drei Faktoren, denen die Mode Rechnung trug: ein gewandelter Zeitbegriff, eine Neupositionierung der Frauen in der Gesellschaft und ein verändertes Körpergefühl. In nie gekannter Weise gab die Jugend den Ton an.

Die Hose für Damen ist sicherlich eine der aussagekräftigsten Modeerscheinungen des 20. Jahrhunderts. Noch vor 100 Jahren war es Frauen gesetzlich verboten, sich öffentlich in Beinkleidern zu zeigen. Auch hier wagte Paul Poiret einen der ersten Vorstöße, doch das Tabu bröckelte erst ganz allmählich. In den 20ern war Marlene Dietrich im Herrenanzug eine absolute Ausnahmeerscheinung, in den 30ern trugen allenfalls reiche Damen beim Sport Hosen. Noch in den frühen 60ern wurden Angestellte nach Hause geschickt, wenn sie in Hosen bei der Arbeit erschienen. 1966 verschob Yves Saint Laurent die Geschlechtergrenzen ein Stück weiter, als er seinen ersten Smoking für Damen präsentierte.

Der Büstenhalter. Als erster Modeschöpfer stellte Paul Poiret 1907 Kleider vor, die ohne Korsett getragen wurden. Bereits 1914 sah man in Paris knabenhafte Frauen ohne Korsett. Die Garçonne wurde bekanntlich der Frauentyp der 20er, gefolgt von einem femininineren Ideal in den 30ern, den per Wonderbra üppig hochgeschobenen Brüsten der 50er und der androgynen Kindfrau, die im Swinging London vom rappeldürren Model Twiggy ("Zweiglein") und heute etwa von Kate Moss repräsentiert wird. Bequemer ist das Leben mit dem Wegfall des Korsetts sicher geworden. Einen unverkrampfteren Umgang mit dem eigenen Körper haben Frauen dadurch nicht gelernt.

Das Schneiderkostüm. 1899 erfand Charles Poynter Redfern für Alexandra, Prinzessin von Wales, diese neue, an männlicher Bekleidung orientierte Form. Coco Chanel perfektionierte sie und setzte mit dem Kleinen Schwarzen noch eins an maximaler Bequemlichkeit bei tadelloser Eleganz drauf.

Der Reißverschluss trug erheblich zur Vereinfachung des An- und Ausziehvorgangs bei. Das erste Patent meldete der Amerikaner Elias Howe bereits 1851 an; insgesamt sollen 50 Erfinder an der Entwicklung des Massenprodukts gearbeitet haben. 1893 wurde der Reißverschluss auf der Weltausstellung in Chicago der Öffentlichkeit präsentiert, stieß zunächst jedoch auf wenig Resonanz. Im letzten Jahr des Ersten Weltkrieges stattete die US-Marine Flieger- und Marineuniformen mit Reißverschlüssen aus. In der Mode setzte sich die Erfindung erst 1930 durch, als die innovationsfreudige Elsa Schiaparelli sie aufgriff.

Den Trenchcoat entwarf Thomas Burberry im Ersten Weltkrieg für britische Soldaten (trench = Schützengraben). Humphrey Bogart machte ihn als Philip Marlowe in der Raymond-Chandler-Verfilmung "The Big Sleep" (1946) zum Kultobjekt. Wenige Kleidungsstücke haben sich über einen langen Zeitraum so geringfügig verändert.

Die Armbanduhr wurde ebenfalls ursprünglich fürs Militär entwickelt. 1880 stattete die Deutsche Kriegsmarine Offiziere mit Uhren fürs Handgelenk aus, im Burenkrieg um die Jahrhundertwende zogen die Briten nach. 1917 bezeichnete der Hamburger Professor H. Bock die Armbanduhr als Modenarrheit, da sie am unruhigsten Körperteil den gröbsten Temperaturschwankungen ausgesetzt sei. Im Militär- und Sportbereich setzte sie sich schnell durch, wurde aber interessanterweise noch 1938 von manchen Männer abgelehnt, da sie mehr Schmuck als Zeitmesser sei. In einem Jahrhundert, das zunehmend von der Jagd nach Minuten besessen war, ist sie zum unabdingbaren Accessoire geworden.

Die Jeans. Das Paradebeispiel für ein Kleidungsstück, das vom Arbeits- in den Freizeitbereich wechselte, wurde vom 1847 aus Bayern nach San Francisco ausgewanderten Levi Strauss als widerstandsfähige Hose für Goldgräber erfunden. In den 50ern machten James Dean und Marlon Brando Jeans, T-Shirt - ursprünglich ein Unterhemd für Arbeiter - und Lederjacke zur Kluft jugendlicher Rebellen. Im Berufsleben wurden Jeans erst in den 70er Jahren zugelassen.

Der Turnschuh. Ursprünglich ein Sport-, dann ein Freizeitschuh, in den letzten Jahren ein Muss für jedes fashion victim und starker Einfluss auf das Schuhdesign. Die Mode, nicht nur Jeans, sondern jeglichen Bekleidungsstil mit Turnschuhen zu kombinieren, stammt aus Manhattan, wo man Turnschuhe in den 80ern auf der Straße trug und erst im Büro gegen Lederschuhe vertauschte.

Das Deodorant. Schon 1888 kam in den USA das erste Markendeo auf den Markt, doch erst das 20. Jahrhundert bemächtigte sich dieser Erfindung. Mehr Bewegung und dünnere Kleidung scheint zu mehr Körpergeruch geführt zu haben. In den 60er Jahren eroberte das Deospray die Welt, wenn auch mit Ingredienzien, die der Haut nicht immer zuträglich sind. Auf seinen Geruchsinstinkt kann sich der Mensch in den neuzeitlichen Duftwolken nicht mehr verlassen.

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