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Kultur: Freud strahlt

Die Zeitgenossen bescheren Christie’s und Sotheby’s in London eine Woche der Superlative

Ob der Boom wohl anhält – das fragten sich vor dieser Woche nicht nur die Sammler. Und wie so oft, gaben die Londoner Gala-Auktionen für Impressionismus, moderne und zeitgenössische Kunst jedem die Antwort, die er hören wollte. Allein 22 Kunstwerke wurden für je über 1 Million Pfund versteigert. Mindestens drei Dutzend durchbrachen die 1-Millionen-Dollargrenze. Allenthalben gab es Umsatzrekorde. „Es wird richtig investiert“, freute sich Ed Dolman, Chief Executive bei Christie’s. Doch als die Kunstschwemme am Donnerstagabend mit der „Contemporary Art“ bei Sotheby’s zu Ende ging, erschlaffte die Energie mit einem Mal. „Manchmal“, meinte Auktionator Tobias Meyer, „muss man eben etwas härter arbeiten“. Und am Ende konnte auch Sotheby’s das beste europäische Umsatzergebnis seiner Geschichte in diesem Segment verzeichnen.

Einmal mehr waren es die Zeitgenossen, die am Markt glänzten: Von der niederländischen Malerin Marlene Dumas wird zur Zeit praktisch alles verkauft. Sotheby’s hatte die große Papierarbeit „X-plicit“ im Angebot, die einen Mann mit erigiertem Penis zeigt. Nicht gerade die gefälligste Dekoration für den Salon, und doch kostete das Aquarell nach anfänglichem Zögern umgerechnet 173000 Euro. Auch bei Christie’s Abendauktion überschlugen sich die Bieter: Dumas’ Klassenbild „Teacher“ mit der bedrohlichen Lehrerin (man sieht die Künstlerin in der zweiten Reihe) kam auf erstaunliche 1,8 Millionen Pfund (2,6 Millionen Euro). Die New Yorker Aquavella Galerie setzte sich damit gegen eine neue, in London aufgebaute Investitionssammlung durch. Noch nie sind in der Geschichte des Kunstmarkts die Preise für Werke eines Künstlers schneller in die Höhe geklettert.

Ebenso konnte man allerdings mitverfolgen, wie schnell Moden wieder verfliegen. Die Preise für die Arbeiten von Maurizio Cattelan hatten sich in den letzten Jahren so explosionsartig vervielfältigt, dass Sotheby’s vier Werke von einem Sammler der ersten Stunde ohne Zögern mit einer Pauschalsumme garantierte. Doch die Installation „Charlie Don’t Surf“, auch hier der Künstler als Schulkind, brachte „nur“ die untere Taxe von 680000 Pfund. Andere Werke blieben unverkauft.

Von stabilem Wert sind dagegen die Gemälde des Altmeisters Lucian Freud. Wobei am Ende nicht das 2002 entstandene Aktporträt von der schwangeren Kate Moss triumphierte – trotz des Promi-Bonusses. Von Freud-Liebhabern war das Bildnis der Superschönen, die sich ein Porträt Freuds gewünscht hatte und es am Ende doch nicht haben wollte, sogar als Greisenarbeit abgetan worden. Bei der Auktion zahlte ein asiatischer Käufer dennoch stolze 3,9 Millionen Pfund. Einen neuen Rekord erzielte aber das nachdenkliche Porträt des „Roten Mannes auf einem Stuhl“ aus Freuds Glanzperiode der frühen 60er Jahre mit 4,1 Millionen Pfund – über 6 Millionen Euro. Das Gebot kam per Telefon aus Spanien, vielleicht von der Thyssen Foundation, die bereits Gemälde von Freud aus dieser Zeit besitzt.

Teuerstes Los der Woche wurde Chaim Soutines Bäckerjunge: 7,3 Millionen Euro kostete das um 1922 entstandene Gemälde. „Le pâtissier de Cagnes“ nimmt nicht nur im Werk des Künstlers einen wichtigen Platz ein und ist gut erhalten, sondern schlägt auch eine einzigartige Brücke von der Avantgarde des vergangenen Jahrhunderts zur Malerei unserer Tage. Das ist auch der Grund, warum Picasso der sicherste Wert bleibt. „Homme à l’épée“ brachte zwar mit 3,92 Millionen Euro nur die untere Taxe, bei Sotheby’s blieb ein hoch angesetztes Porträt unverkauft und die Zeichnungen aus dem Skizzenbuch von Heinz Berggruen wurden vielfach unter Taxe in den Schweizer Handel verkauft. Aber für eine Reihe im Mittelbereich taxierter Werke gab es lange Bietergefechte und bei Christie’s stammte sogar die Hälfte der Toplose von Picasso.

Auch bei der deutschen Kunst paart sich Qualitätsbewusstsein mit Investitionslust. Max Beckmanns „Dame mit Spiegel“ brachte 2,8 Millionen Pfund. Franz Marcs kleines Hinterglasbild und Jawlenskys Stillleben mit Hyazinthe lösten die erwarteten Bietgefechte aus und kamen jeweils knapp über 900000 Euro. Bei Christie’s wurde Jawlenskis abstraktes Kopfbildnis „Ostern“ auf 814 400 Pfund gesteigert– achtmal so viel wie 1989. Das war kurz bevor die deutsche Kunst auf dem globalen Markt ihre bis heute so zentrale Rolle einnahm.

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