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Kultur: Freundliche Übernahme

besucht Berlins Klassik-Königin in der Provence Man könnte sie die heimliche Königin der Berliner Klassikszene nennen: In den letzten Jahren hat Eva Coutaz , die Chefin von harmonia mundi france , ihr Label zum wichtigsten Produzenten für Klassik-CDs aus Berlin gemacht. Kent Nagano und sein DSO, der RIAS-Kammerchor und die Akademie für Alte Musik gehören schon länger zu den Stammensembles des französischen Betriebs, die Barockproduktionen von René Jacobs an der Staatsoper wurden von Beginn an (Grauns „Cleopatra e Cesare“) von harmonia mundi france dokumentiert, und jetzt hat auch der Berliner Rundfunkchor sein erstes Album bei den Franzosen produziert.

besucht Berlins Klassik-Königin in der Provence Man könnte sie die heimliche Königin der Berliner Klassikszene nennen: In den letzten Jahren hat Eva Coutaz , die Chefin von harmonia mundi france , ihr Label zum wichtigsten Produzenten für Klassik-CDs aus Berlin gemacht. Kent Nagano und sein DSO, der RIAS-Kammerchor und die Akademie für Alte Musik gehören schon länger zu den Stammensembles des französischen Betriebs, die Barockproduktionen von René Jacobs an der Staatsoper wurden von Beginn an (Grauns „Cleopatra e Cesare“) von harmonia mundi france dokumentiert, und jetzt hat auch der Berliner Rundfunkchor sein erstes Album bei den Franzosen produziert. Fehlen eigentlich nur noch Sir Simon Rattle und die Philharmoniker – doch ansonsten hat sich Coutaz, die auf einem alten provenzalischen Landsitz unweit von Arles residiert, zielsicher die Rosinen aus dem Berliner Klassik-Kuchen herausgepickt.

Was das kleine Label mit seinen Künstlern unternimmt, ist allerdings so wagemutig, dass sich die großen Konzerne ruhig eine Scheibe davon abschneiden könnten. Denn in einer Zeit, wo Majors wie die Universal auf Gedeih und Verderb versuchen, das Star-Konzept der Popmusik auf die Klassik zu übertragen, setzen Coutaz und ihr Produzent Martin Sauer auf Anspruch: Aufnahmen wie Schönbergs „Jakobsleiter“ mit Kent Nagano oder Ernst Kreneks „Lamentationes Prophetae Jeremiae“ mit dem RIAS-Kammerchor sind geradezu das Gegenprogramm zur „Easy Listening“-Strategie der Majors, bei denen Klassikalben oft nur noch unter so nichtssagenden wie dämlichen Titeln wie „Beautiful Moments“ verkauft werden.

Ein Konzept, das offenbar ankommt: Selbst Werke wie der Krenek-Zyklus , den man eigentlich für einen todsicheren Ladenhüter halten würde, spielen auf lange Sicht, vielfach preisgekrönt, ihre nicht unerheblichen Kosten wieder ein. Der Werbeeffekt nicht nur für die weltweite Gastspieltätigkeit der jeweiligen Ensembles, sondern auch für Berlin als Klassik-Metropole ist dabei nicht zu unterschätzen: Die neusten harmonia mundi-CDs, die in Berlin aufgenommen wurden, präsentieren die Hauptstadt sogar wagemutiger, moderner und abwechslungsreicher, als sie tatsächlich ist.

Ein gutes Beispiel sind da die Neuaufnahmen der beiden Berliner Chöre: Francis Poulencs Chorkantate „Figure Humaine“ etwa, das Titelstück des neuen Albums des RIAS-Kammerchores, ist natürlich auch hier im Konzertkalender eine Rarität, die sich gegenüber einem Wust zahlloser mehr oder weniger inspirierter Beethoven-Sinfonien und Verdi-Aufführungen behaupten muss – von der gescheiten Kombination von Thomas Tallis legendärer 40-stimmiger Mega-Motette „Spem in alium“ mit zeitgenössischer britischer Chormusik auf der Porträt-CD des Rundfunkchors einmal ganz zu schweigen.

Aber vielleicht ganz gut, dass die Berliner Philharmoniker nicht auch noch bei Frau Coutaz sind. Denn irgendwer muss ja auch mal „Carmina Burana“ aufnehmen.

Jörg Königsdorf

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