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Kultur: Friedensflöte

ALL THAT JAZZ Christian Broecking über den schweren Schatten einer Großbaustelle Der Jazz braucht keine Protestsongs, sondern ein anderes gesellschaftliches Klima. Ground Zero mag mittlerweile wie eine gewöhnliche Großbaustelle wirken – auf die New Yorker Kreativen wirkt sich der 11.

ALL THAT JAZZ

Christian Broecking über

den schweren Schatten einer Großbaustelle

Der Jazz braucht keine Protestsongs, sondern ein anderes gesellschaftliches Klima. Ground Zero mag mittlerweile wie eine gewöhnliche Großbaustelle wirken – auf die New Yorker Kreativen wirkt sich der 11. September auch dieser Tage noch fatal aus. Wie der Saxofonist Greg Osby hoffen viele Musiker auf eine Besserung der Verhältnisse. „Seit dem 11. September ist besonders die junge Szene in New York weitgehend arbeitslos und kann kaum Auftritte an Land ziehen. Ich begreife mich nicht als politischer Künstler, und ich glaube auch nicht, dass es darum geht, jetzt durch radikale Sprüche aufzufallen“, resümierte Osby kürzlich nach einem Auftritt im New Yorker Club Tonic. „Ich kenne zahlreiche junge kreative Musiker, die mit ganz unglaublichen Projekten an den Start gehen werden, wenn diese ganze Fixierung auf den 11. September und den Krieg endlich vorüber ist.“ Osby, gerade als bester Altsaxofonist des aktuellen amerikanischen Jazz ausgezeichnet, ist in diesem Jahr der Star beim Deutschen Jazzfestival Frankfurt (3. Oktober). Gerade erschienen ist die DuoCD „Round and Round“ (nagel heyer), die Osby zusammen mit dem Pianisten Marc Copland in New York aufgenommen hat.

Der Saxofonist Michael Blake wohnt in Brooklyn und berichtet, dass seine Nachbarn alle geflaggt haben. „Keiner sagt jetzt mehr etwas gegen den Krieg. Im Rahmen der großen Anti-Kriegs-Demonstrationen, die Anfang des Jahres in New York stattfanden, sind wir auch aktiv gewesen. Ich war bei einem Konzert dabei, das die ,Initiative gegen Rassismus und Krieg’ organisiert hatte. Für Künstler ist es ja immer etwas anders, ich denke, wir sind per se gegen Krieg und Rassismus.“ So fühlt sich Michael Blake einer „Community“ zugehörig, in der sich auch der junge Bassist Ben Allison bewegt. Er lebt in Manhattan und die aktuelle CD seiner Band „Peace Pipe“, bei der Blake mitspielt, gilt bei College-Studenten zurzeit als ziemlich hip. „Ich bin grundsätzlich gegen Gewalt, aber ich habe nicht gegen den Irak- Krieg demonstriert, weil ich mich nicht gleich noch auf alle möglichen anderen Anti-Inhalte festlegen lassen wollte“, sagt Allison. „Meine Frau arbeitet bei den United Nations, und daher weiß ich, wie kompliziert es ist, eine Position zu finden, die über eine schlichte Anti-Haltung hinausgeht. Ich will mit meiner Musik positive Lebensinhalte formulieren, und ich finde, dass ich mit dem Namen meiner Band doch schon ziemlich klar bin, oder?“ „Peace Pipe“ (Palmetto) ist nicht nur eine der schönsten und inspirierendsten Jazz-CDs der vergangenen Jahre, aufgenommen im März des vergangenen Jahres ist sie auch ein ausdruckstarkes und weitgehend platitüdenfernes Statement aus dem kreativen Zentrum der amerikanischen Jazzmetropole – für eine Zeit nach dem 11.9.

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