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Performe oder bin ich? Friedrich Liechtensteins neues Album „Bad Gastein“ kommt im Juli heraus. Jetzt singt die Werbeikone im Haus der Kulturen Coversongs.

© Promo/Ralph Anderl

Friedrich Liechtenstein bei der "Doofen Musik": König Midas im Milchbad

Klickmonster, Elektromusiker, Schmuckeremit: Friedrich Liechtenstein tritt bei „Doofe Musik“ auf – ein Wiedersehen.

Ganz schön verrückte Geschichte das. Arbeitstitel: Prekäre Künstlerexistenz wird König Midas oder Wie ein Milchbad das randständige Eremitenleben des Entertainers Friedrich Liechtenstein auf den Kopf gestellt hat.

Vergangenen November, beim letzten Treffen, da hatte Friedrich Liechtenstein nur einen Auftritt in der Platoon Kunsthalle anzuzeigen, um den er ein halbes Jahr gerungen hatte. Und die Arbeit an seinem, noch nicht näher terminierten Konzeptalbum „Bad Gastein“.

Zwar war das Berliner Unikum nach seinen viel geklickten Youtube-Hits „Kackvogel“ und „Supergeil“ nicht mehr nur Freunden von Elektrobeats oder kurioser Perfomancekunst bekannt, aber an Liechtensteins sehr berlinischer Nischenexistenz änderte das nichts. Ebenso wenig wie sein zugiger Wohnsitz in der Dachklause einer Brillendesignerfirma in Prenzlauer Berg, die sich den besitzlosen Eskapisten in Hofnarrenmanier als Schmuckeremiten hielt. Da wusste man beim Gespräch mit dem freundlichen, nachdenklichen Ironiker endgültig nicht mehr, ob man den wundersamen armen Poeten bemitleiden oder ob seiner Experimentierfreudigkeit preisen sollte. Bei den Begegnungen sechs, sieben Jahre zuvor war er immerhin noch einer von drei Intendanten im „Engelbrot“, dem bald darauf erneut Pleite gegangenen Hansa-Theater und ein auf der Bühne mit Porreestangen Hipster-Popos verklopfender Showmaster der dann doch nur einteilig ausgefallenen Partyreihe „Teach me tonight“ im Radialsystem V.

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Bis eine Werbeagentur im Frühjahr den Rauschebart mit dem Lakonikerbariton samt seiner Nummer „Supergeil“ für die Kampagne einer großen deutschen Supermarktkette entdeckte. Ihn in Milch baden, am Kassenband posieren, durch Lebensmittelregale tanzen ließ – als supercoolen, schmerbäuchigen, nonkonformistischen Weihnachtsmann normierter Warenwelt. Seitdem ist Liechtenstein, der um 1956 herum als Hans-Holger Friedrich in Stalinstadt geboren wurde, überall. In Zeitungen, in Talkshows, in weiteren Youtube- Clips.

Wo Genie anfängt und Dilettantismus aufhört

Im Video „Belgique, Belgique“, der ersten Auskopplung des Mitte Juli erscheinenden Konzeptalbums „Bad Gastein“, in dem er als eleganter Dandy mit Goldlack an den Nägeln durch die morbide Pracht der winterlichen Alpenstadt streift. Und am Sonnabend bei „Silly Love Songs“, einem gemeinsam mit dem Adriano Celentano Gebäckorchester, Justus Köhncke und Lifafa bestrittenen Konzert des Donnerstag im Haus der Kulturen der Welt anlaufenden Festivals „Doofe Musik“.

„Musik zum Träumen, Betäuben und Vergessen“ ist der Untertitel der Konzertreihe, die sich nach den Vorläufern „Unmenschliche Musik“ und „Böse Musik“ nun mit eskapistischen, als banal verschrienen populären Musikstilen wie Schlager oder Techno beschäftigt. Genau der richtige Rahmen für den intellektuellen Spieler Friedrich Liechtenstein, bei dem man nie genau weiß, wo das Genie anfängt und der Dilettantismus aufhört. Er jedenfalls sieht sich als Crooner. „Im Sinne von leise säuselnd in ein Mikro singen.“ Und als solcher singt er Coversongs: „Close To You“, „We Have All The Time In The World“, so was.

Er selbst steht über der ganzen Aufregung

Er ist mit einer Viertelstunde Verspätung zum Wiedersehen im „Blauen Band“ in der Alten Schönhauser Straße gekommen. Und bald müsse er wieder los, sagt Friedrich Liechtenstein. Das hat es noch nie gegeben. Sonst hatte er immer alle Zeit der Welt. Seit dem „Supergeil“-Ruhm käme er zu nichts mehr, seufzt er, weder zu seinem geliebten Flanieren, noch zum Lesen. „Ich bin krass am Verblöden, weil ich nur noch über mich rede.“ Mit seiner neuen Managerin sortiert er täglich Anfragen, 30 bis 40 waren es zeitweilig, wird aber schon wieder weniger. Filmprojekte, Musikprojekte, allein sechs Buchanfragen. Alle wollen den diplomierten Puppenspieler der Ernst-Busch-Hochschule, der einst als Familienvater und Kinobetreiber in der Sächsischen Schweiz lebte, der Gaga-Vorträge an Universitäten hielt und der immer neue Leben wie immer neue Kunstinstallationen abstreifte. Liechtenstein genießt das, klar, und er staunt. „Ich bin etwas irritiert, ob der ganzen Zuneigung.“ Dieser Unterhaltungskünstler existiert auch ohne Applaus, aber welchen zu bekommen, ist auch mal ganz schön – irgendwie.

„Die meisten, die mich auf der Straße anquatschen, sind ja auch nett.“ Nur dass die Leute so vergesslich sind, amüsiert ihn. Er nimmt die Brille ab, die graubraunen Augen lächeln hell. „Es gibt doch alle zwei Jahre irgendeinen Song mit „geil“ im Titel.“ Wozu also die Aufregung. Er selbst steht da sowieso drüber. „Ich habe nach wie vor nichts“, sagt Liechtenstein.

Auch wenn er im Februar die Klause gewechselt hat und jetzt oben einen kargen Raum in dem zackigen Bundschuh-Bau in der Linienstraße bewohnt, ist er immer noch Schmuckeremit. Ohne Handy, ohne eigenen PC, aus der Welt gefallen, im Beobachterturm. Der urbane Klausner schüttelt den Kopf. „Dass ich mir als Künstler immer eskapistische Felder gesucht habe, beispielsweise am Rande der Gesellschaft ohne Besitz zu leben, und dann durch diesen Irrsinn mit der Werbekampagne ausgerechnet im Kerngebiet des Kapitalismus – in der Markenkultur – gelandet bin, das ist so lustig.“

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Und auch ein bisschen einträglich. Den Goldlack, den der falsche König Midas von Bad Gastein, wo er regelmäßig mit seiner Dancefloor-Show gastiert, im Video trägt, der wird bald auf Liechtensteins Konzerten zu kaufen sein. Gleich trifft er eine Dame, mit der er Beschaffenheit und Farbe festlegt. „Mit Goldnägeln fühlen sich alle Dinge wertvoller an.“ Auf die Idee hat ihn seine Tochter gebracht. Wie auch seine beiden Albumproduzenten „nette Leute sind, mit denen meine drei Kinder abhängen“. Er lobt die Akribie, mit der sie aus seinen Songs „Das Badeschloss“, „Elevator-Girl“, „Kommissar D’Amour“, „Das Zimmer“ oder dem groovenden 10-Minuten-Sprechgesang „Belgique, Belgique“ ein Album basteln. „So was wie Sound war mir bislang völlig egal, das wird diesmal anders.“ Kunstvoller, differenzierter? Friedrich Liechtenstein lächelt süffisant: „Konventioneller.“

„Silly Love Songs“ im Haus der Kulturen der Welt, Sa 10.5., 20 Uhr

Das Festival "Doofe Musik"

Die Konzerte, Installationen, Filme und Gesprächsrunden laufen vom 8. bis 11.5. im Haus der Kulturen der Welt, Infos: hkw.de/doofemusik.

Pocket Symphonies heißt das aus Klingeltonkompositionen bestehende Eröffnungskonzert am Do 8.5. um 20 Uhr. Um 22 Uhr spielt Techno-Legende Wolfgang Voigt in der Doofen Lounge Polka-Trax.

Miracles – Flüchtige Momente der schönen Musik heißt ein der Fahrstuhlmusik, dem „Smooth Jazz“, gewidmetes Konzert am Fr 9.5. um 20 Uhr.

Sa 10.5., 16 Uhr, ist Christoph Waltz in einer frühen Lebensrolle zu sehen – in Du bist nicht allein – Die Roy Black Story. Und um 21.45 Uhr wird der Eurovision Song Contest live übertragen.

Am So 11.5. um 21 Uhr wird’s dann bayrisch und eher weniger als mehr traditionell: Kofelgschroa aus Oberammergau bearbeiten die Blasmusik.

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