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Kultur: Fritz Teufel: Ein Leben fürs Dagegensein

"Dank gilt meinen ungeborenen, ungezeugten Kindern, die mir ein Leben in Luxus und Freude ermöglichen." Mit diesen Worten nahm der ehemalige Kommunarde, Spaßguerillero und gesuchte Anarchist Fritz Teufel am Sonntag den erstmals vergebenen "Wolfgang-Neuss-Preis für Zivilcourage" in der Akademie der Künste entgegen.

"Dank gilt meinen ungeborenen, ungezeugten Kindern, die mir ein Leben in Luxus und Freude ermöglichen." Mit diesen Worten nahm der ehemalige Kommunarde, Spaßguerillero und gesuchte Anarchist Fritz Teufel am Sonntag den erstmals vergebenen "Wolfgang-Neuss-Preis für Zivilcourage" in der Akademie der Künste entgegen. Die Urkunde zeigt Teufel mit dem Namensgeber des Preises auf den Schultern. Der dazugehörige Scheck über 10 000 Mark wurde vermutlich etwas diskreter übergeben. Etwa zweihundert gut gelaunte Alt-68er applaudierten lachend.

Vor gut drei Jahrzehnten haben sich viele der Feiernden mit der Polizei geprügelt, und nun können sie einen fünfstelligen Betrag aus der Privatschatulle zaubern, um eine Art Lifetime-Award fürs Dagegensein zu finanzieren. Dass das die jeweils selben Menschen sind - schwer vorstellbar. Der erst jüngst gegründete Unterstützerverein mit prominente Namen in seinen Reihen - Hans Magnus Enzensberger etwa, Gerlind Reinshagen oder Klaus Wagenbach - hat seine Wahl getroffen. Von Teufel, der als Fahrradkurier arbeitet und während des Festakts mit seinem kahlrasierten Schädel fast unscheinbar in der ersten Reihe saß, sind bis heute vor allem seine wie nebenbei vorgebrachten Konter gegen den starren Verhaltenskodex der damaligen Justiz im Gedächnis geblieben: "Wenn es denn der Wahrheisfindung dient..." geantwortet, als er beim Erscheinen des Richters zum Erheben aufgefordert wurde.

Die Journalistin Peggy Parnass, Berichterstatterin bei vielen seiner Prozesse, machte deutlich, wie viel Mut seine Aktionen erfordert haben müssen in einer Zeit, als Zuschauer für einen schlichten Zwischenruf mehrer Tage in Haft genommen wurden. Außerdem ließ sie wenig Zweifel daran, dass Teufel - mit seinem Spitzmaus-Profil und seinem unendlich langsamen Sprachfluss - zeitweise mehr erotische Ausstrahlung gehabt haben muss als eine gesamte Boygroup zusammen.

Um den Mut des Geehrten, um seine Konsequenz und Unbeirrbarkeit, ging es auch, als Christian Ströbele am Mikrofon stand. 1975, nach zwei Jahren der Illegalität, wurde Teufel festgenommen und ins Gefängnis Moabit gesteckt. Fünf Jahre Untersuchungshaft nahm er auf sich, obwohl er ein Alibi hatte - in der fraglichen Zeit lebte er unter dem Tarnnamen Jörg Rasche als Hilfsarbeiter in Essen. Dennoch ließ er das Verfahren mit all seinen konstruierten Indizienketten laufen und zog erst nach den Schlussplädoyers seinen Trumpf aus dem Ärmel. Die Justiz zu düpieren, sämtliche Urteile der Terroristenverfahren in Zweifel zu bringen, das war das Ziel. Gerade weil Ströbele das alles so heiter, fast lausbübisch erzählte, bekam die Veranstaltung für Außenstehende etwas Gespenstisches. In jedem dritten Satz wurde ein Toter erwähnt: alte Kampfgefährten. Ein Hauch von Veteranentreff wehte durch den Saal. In seiner knappen Dankesrede brauchte Teufel exakt einen Satz, um diese Atmosphäre zu zerstören: "Danke! - Als Fahrradkurier in dieser autoverseuchten Stadt - ich finde, das hat auch was mit Zivilcourage zu tun." Es ist wohl diese Lakonie, die Teufel bis heute spannend macht, während ein Langhans mit seiner Promiskuität nur noch langweilt, und das Charisma des Eierwerfers Kunzelmann längst unter Dotter verschüttet liegt. Danach ging die Versammlung zum Sektempfang.

Knud Kohr

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