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Eine Mitarbeiterin des Auktionshauses Villa Grisebach zeigt ein Gemälde von Vincent van Gogh, "Kopf einer Bäuerin" (1884/1885). Das Bild wurde für 600.000 Euro verkauft.

© Wolfgang Kumm/dpa

Frühjahrsversteigerung der Villa Grisebach: Hammerpreise der Grisebach-Auktion

Bei der Auktion der Villa Grisebach kamen Werke von Van Gogh, Pechstein und Riefenstahl unter den Hammer. Nicht wenige durchbrachen die geschätzten Werte um ein Vielfaches. Einzig die zeitgenössischen Künstler enttäuschten am Ende.

Als „das kostbarste Werk von Vincent van Gogh“ auf dem deutschen Markt seit 1945 hatte die Villa Grisebach den Kopf einer Bauersfrau gepriesen und das Porträt von 1884/85 auf 600 000–800 000 Euro geschätzt. Das kleine Bild mit lückenloser Provenienz gehört zum Frühwerk des niederländischen Malers und gruppiert sich in eine ganze Serie, die in Vorbereitung auf sein erstes Hauptwerk „Die Kartoffelesser“ in der Provinz Brabant entstand. Nach kurzem Bietergefecht ging es für 600 000 Euro Hammerpreis an einen privaten Sammler in Kalifornien.

Etliche Werke überschritten auf der Auktion die erhofften Höchstbeträgen

Als Spitzenlose der mit Spannung erwarteten Abendauktion machten zwei andere Gemälde das Rennen. Eines davon war „Ein Sonntag“ von Max Pechstein (Taxe: 500 000– 700 000 €), für das der Hammer bei 700 000 Euro zugunsten eines Privatsammlers aus Norddeutschland fiel. Zu diesem Bild von 1921, dessen Komposition sich ganz aus der Farbe entwickelt, ließ sich Pechstein vom kleinen Ort Leba an der pommerischen Ostseeküste inspirieren, den er gerade erst für seine sommerlichen Arbeitsaufenthalte entdeckt hatte. Leuchtendes Blau, Grün und sattes Gelb dominieren die Landschaft. Durch Kornfelder führt ein Weg, auf dem ein einsamer Mann schreitet, im Hintergrund brechen Sonnenstrahlen durch die Wolken und überziehen Felder und Wiesen mit goldenem Licht. Die Stimmung dieses Sommertages überzeugte auch die Bieter. Ein ähnlich großes Interesse löste das kleine hintergründige Wolkenbild „La malédiction“ von René Magritte aus dem Jahr 1963 aus (Schätzpreis: 150 000–200 000 Euro). Hier schraubten Konkurrenten den Preis immer höher, bis ein Sammler aus Berlin mit ebenfalls 700 000 Euro Gebot ein Ergebnis weit über der Taxe zuließ. Auch „Das Haus zum blauen Stern“ von Paul Klee aus dem Jahr 1920 animierte mehrere Interessenten zu immer höheren Geboten, bis das kleine Aquarell auch hier mit 600 000 Euro, dem Doppelten der oberen Taxe, den Besitzer wechselte. Etliche Lose überschritten die Schätzwerte, sodass sich die Villa Grisebach über das Ergebnis freuen konnte.

Größte Kunstauktion von Werken des 19. Jahrhunderts in Deutschland

Schon die Versteigerung der Werke des 19. Jahrhunderts am Tag zuvor brachte 2,1 Millionen Euro Umsatz (Hammerpreis). Ein Ergebnis, über das sich Florian Illies als Verantwortlicher für diesen Bereich freuen durfte. Nach Auskunft des Auktionshauses handelt es sich aktuell um die größte Auktion für Kunst des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Über 220 Telefonbieter aus aller Welt beteiligten sich und sorgten für Weltrekorde bei zwei der wichtigsten deutschen Maler dieser Epoche. Die 1822 entstandene „Phantasie aus der Alpenwelt“ von Carl Gustav Carus ging für 180 000 Euro Hammerpreis an das Nationalmuseum Stockholm. Und Wilhelm Leibls vielschichtige Charakterstudie „Bauernmädchen mit weißem Halstuch“ von 1897 fand für 280 000 Euro den Weg in eine deutsche Privatsammlung. Darüber hinaus gab es etliche Überraschungen. Schon zu Beginn erzielte die Zeichnung einer Felsenschlucht vom Block eines unbekannten Künstlers der Romantik in einer fulminanten Bieterschlacht 56 000 Euro – taxiert war sie auf höchstens 3000 Euro. Das „Meerweibchen“ von Franz von Stuck aus dem Jahr 1891 überstieg mit 150 000 Euro seinen Schätzwert ebenfalls um ein Vielfaches (Taxe: 25 000–35 000 Euro) und ging an eine französische Privatsammlung. Und auch die „Matrosen in der Takelage“ von Théodore Gudin erzielten in einem Gefecht zwischen 21 Telefonbietern schließlich 50 000 Euro und damit weit mehr als die erwarteten 3000–4000 Euro.

725 000 Euro für Fotografien von Blossfeldt, Evans, Dijkstra und Rohde

Ausgesprochen erfolgreich war diesmal auch die Versteigerung moderner und zeitgenössischer Fotografie mit einem Erlös von 725 000 Euro. Die Spitzenlose fanden innerhalb der erwarteten Schätzpreise einen neuen Besitzer: Der Vintage-Print mit einer der legendären Pflanzenbilder von Karl Blossfeldt erzielte 22 000 Euro, das Vintage-Fotogramm von Walker Evans 10 000 Euro und das Porträt des jungen portugiesischen Stierkämpfers von Rineke Dijkstra 30 000 Euro. Als unerwartetes Spitzenlos entwickelte sich in einem nicht enden wollenden Bietergefecht das Vintage „Dunkle Figur“ (1928) von Werner Rohde aus dem Jahr 1928 mit sagenhaften 150 000 Euro – bei einem Schätzwert von 2000–3000 Euro. Die Fotografie landete im Berliner Handel. Auch das Porträt Mick Jaggers von Leni Riefenstahl aus den siebziger Jahren übersteigt mit 16 000 Euro die Erwartungen um ein Mehrfaches.

Enttäuschungen bei Versteigerung zeitgenössischer Kunst

Kam für 600.000 Euro unter den Hammer: "Kopf einer Bäuerin" (1884/1885) von Vincent van Gogh
Kam für 600.000 Euro unter den Hammer: "Kopf einer Bäuerin" (1884/1885) von Vincent van Gogh

© Wolfgang Kumm/dpa

Als Highlight im Bereich der zeitgenössischen Kunst war die Versteigerung der Sammlung Manfred Wandel mit knapp 40 abstrakten wie konkreten Werken angekündigt. Hier konnten die erwarteten Preise für die Arbeiten von Friedrich Vordemberge-Gildewart (70 000 €), Arnulf Rainer (68 000 €) Hans Hartung (70 000 €) sowie einige Überraschungen bei den Verkäufern der Arbeiten etwa von Bernard Aubertin zu 65 000 Euro (Taxe: 15 000–20 000 €) und François Morellet zu 50 000 Euro (Taxe: 25 000–30 000 €) nicht wettmachen, dass das Spitzenlos „Epischer Fries“ von Willi Baumeister mit einer Taxe von 80 000–120 000 Euro ebenso unverkauft blieb wie eine Arbeit der Avantgarde-Künstlerin Dadamaino. Daher blieben die Umsätze hier mit 715 000 Euro leicht hinter den Erwartungen zurück.

Auktionshaus Grisebach schwebt auf Wolke sieben

Insgesamt blieben die Preise für einzelne Werke diesmal unter der Millionengrenze, dennoch ist das Berliner Auktionshaus weiter auf Erfolgskurs. Mit acht Katalogen und 1500 Losen ist dies die bislang umfangreichste Frühjahrsauktion der Villa Grisebach. Die geschätzten 17,3 Millionen Euro Umsatz werden laut Bernd Schultz als einem der geschäftsführenden Gesellschafter der Villa Grisebach auf jeden Fall erreicht.

Bisher wurden bei den Versteigerungen bereits 13,54 Millionen Euro erzielt, Grafik, Contemporary Art und Third Floor stehen noch aus. „Wir schweben auf einer wunderbaren Wolke“, kommentiert Schultz das Ergebnis in Anspielung auf das überraschend hoch versteigerte Himmelsbild von Magritte. Anfang Juli wird überdies die Sammlung des ehemaligen Berliner Majors und Kunsthändlers Kurt Rohde und seiner langjährigen Geschäftspartnerin Frieda Hinze versteigert, eine der letzten großen Kunstsammlungen aus der goldenen Zeit des Berliner Kunsthandels in den zwanziger Jahren. Darunter finden sich Meisterwerke aus diversen Kunstepochen, für die insgesamt noch einmal 3,5 Millionen Euro für Gemälde, Skulpturen und angewandte Kunst angesetzt sind.
Villa Grisebach, Fasanenstr. 25; Third Floor, Schätzwerte bis 3000 Euro: Samstag, 6.6., ab 11 Uhr. Sammlung Kurt Rohde und Frieda Hinze: 3.7., 17 Uhr, 4.7., ab 11 Uhr

Angela Hohmann

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