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Kultur: Frühlingsernte

Großes Spektakel: Das 6. Gallery Weekend lockt 700 Sammler in die Stadt

„Man sieht sich auf dem Sammlerwochenende!“ Sechs Worte einer Galeristin, die den Rummel dieser Tage nicht bloß auf eine schlichte Formel bringen, sondern etwas über die Anfänge des Gallery Weekend verraten. Ausgedacht haben sich die Initiatoren, darunter Max Hetzler, Tim Neuger und Esther Schipper, dieses Wochenende ja nicht, um möglichst viele Kunstgucker in die Stadt zu locken. Bis vor sechs Jahren, als das Gallery Weekend für den Berliner Frühling erfunden wurde, war die Stadt ein Ödland – was den Verkauf hochpreisiger Kunst anbelangt. Wer gute Geschäfte machte, der tat dies nicht in Berlin, sondern auf internationalen Kunstmessen oder in seinen Dependancen. Kein gutes Zeugnis für die Kunststadt Berlin.

Die Konsequenz war ein gemeinsamer, starker Auftritt zum Saisonstart: zwölf Galerien, zwölf Vernissagen wichtiger Künstler und ein Dinner am Samstag, das anfangs knapp 80 Gäste zählte. Und nun? Kursiert die Zahl von 700 Sammlern aus aller Welt, die ab dem heutigen Freitag durch die Galerien streifen. Der Startschuss fiel am Donnerstag, mit einem Empfang im Garten von „Clärchens Ballhaus“. Dinniert wird nun im Bode-Museum, zwischen antiken Skulpturen und in einem Ambiente, das repräsentativer kaum sein könnte. Davor und danach konkurrieren so viele exzellente Eröffnungen um die Besucher, dass man selbst an einem Wochenende nicht alle schaffen kann. Andreas Gursky zeigt neue Fotografien in der Galerie Sprüth Magers, HansPeter Feldmann ist bei Mehdi Chouakri zu sehen, und der eigenwillige amerikanische Fotograf und Zeichner Troy Brauntuch präsentiert seine aufwendigen Bilder in der Galerie Capitain Petzel. Nicht zu vergessen die Ausstellung „Neusilber“ von David Zink Yi mit einem skulpturalen Palmenhain bei Johann König. Ein Ende des Parcours ist erst Sonntagabend in Sicht, nachdem die 40 beteiligten Galerien ihre Räume im Dauerbetrieb offengehalten haben. Und nicht nur sie.

Längst ist auch anderen Galeristen die Bedeutung des Weekends klar. Vor allem in Mitte und Kreuzberg häufen sich die Offerten. Wer es einrichten kann, der passt seine Öffnungszeiten an und hofft auf versprengte Teile der Karawane. Dass nicht jeder zum inner circle gehören und Aufnahme in das von Christian Boros in Flieder getauchte Veranstaltungsheft finden kann, sorgt auch für Kritik. Den Initiatoren wirft man elitäres Gehabe vor (die Teilnahme kostet immerhin mehrere tausend Euro) und übersieht dabei, dass ein Event ohne eine gewisse Exklusivität sein Ziel verfehlt – die Anziehungskraft nämlich auf ein exklusives Publikum.

Dieses Ziel scheint jedoch erreicht zu sein; inzwischen hat das Wochenende eine solche Dynamik entwickelt, dass manche Galerie die Teilnahme mit Dank abgesagt hat – man profitiert ja ohnehin.

Auch die großen Kunsthäuser und die Sammler der Stadt ziehen endlich mit und laden zu wichtigen Eröffnungen in dieser Woche, zu den spektakulären Ausstellungen von Frida Kahlo und Olafur Eliasson im Martin-Gropius-Bau oder zur neuen Sammlung von Thomas Olbricht im „me collectors room“ auf der Auguststraße. Versteckter präsentieren sich die kleinen digitalen Revolutionen, wie etwa die Apps zum Gallery Weekend, entwickelt von dem Sammler und Softwarespezialisten Ivo Wessel und dem ehemaligen Galeristen Jan Winkelmann. Noch kann man den Ausstellungsguide für Berlin namens „Eyeout“ kostenlos herunterladen. Später wird die Applikation für das iPhone knapp sechs Euro kosten und von einer eigenen Redaktion ständig aktualisiert.

Einen Künstler wie Norbert Bisky, der jetzt die neuen Räume der Galerie Crone einweiht – am alten Ort in der Kreuzberger Rudi-Dutschke-Straße, nur ein Stockwerk höher –, findet man am Sonntag auch im Haus am Waldsee. Zu günstigeren Preisen: Biskys Bild „Tutor“ wird auch bei der Benefizauktion versteigert, die das Haus zugunsten seines Ausstellungsetats veranstaltet. Fast 40 Künstler stellen Arbeiten zur Verfügung, versteigert werden sie von Simon de Pury. Sein Auktionshaus versuchte vor Jahren einen Start in Berlin und gab zunächst wieder auf. Vielleicht verfügt Berlin auch jetzt noch nicht über das finanzielle Potential eines internationalen Markts. Doch das Gallery Weekend zeigt Kräfte auf, die jedes Mal stärker werden. Sichtbar sind sie vorerst vor allem an diesen drei Tagen. Die Stadt haben sie längst spürbar verändert.

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