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Frühlingssehnsucht: Her mit der Blümchenbluse

Frühlingssehnsucht ist es, die die Menschen in den letzten Monaten in Scharen ins Museum getrieben hat.

Der Wind pfeift grimmig, aus vollen Backen, ein finsterer Wintermann in Eisgrün und Blau. Ein wenig scheinen sie doch noch zu frösteln, die zarten Nymphen in ihren durchscheinenden Gewändern. Und doch ist es ein Sehnsuchtbild. Voll Sehnsucht nach Blumenkleidchen und Barfußgehen, nach Flatterhaar und süßen Früchten. Tanzen möchte man, das Gras riechen, sich nach Schatten sehnen und die Sonne wieder spüren. Frühlingssehnsucht: Der Florentiner Maler Sandro Botticelli hat sie für immer ins Bild gefasst, 1482, in seinem Meisterwerk „La Primavera“. Fast erinnert die Kleidung seiner Nymphen an Hippiemode, an Flower-Power.

Ebendiese Frühlingssehnsucht ist es, die die Menschen in den letzten Monaten in Scharen ins Museum getrieben hat. Die Botticelli-Ausstellung in Frankfurt war mit rund 367 000 Besuchern die erfolgreichste Ausstellung, die das traditionsreiche Städel je gesehen hat. Lange Schlangen in eisiger Kälte, bis zu vier Stunden Wartezeit, das hatte fast MoMAin-Berlin-Ausmaße, und das Museum versuchte mit Heizpilzen und Glühwein ein wenig zu helfen. Und alles nur, um die berühmten Botticelli-Schönen zu sehen, die Venus, die Minerva, die Simonetta – der „Frühling“ war in Florenz geblieben, er darf die Uffizien nicht mehr verlassen.

Die Wiederentdeckung der BotticelliSchönheiten, die schon in den ersten Rezensionen zu Zuschreibungen wie „Pinup“ und „Cover-Girl“ geführt hatte, bekam in diesem harten Winter noch einmal neue, unerwartete Dringlichkeit. Da stehen wir, mit Winterstiefeln an den Füßen und in Daunenjacken, Mütze und Schal gehüllt, unförmige Michelin-Männchen allesamt, und wollen wieder Körper sehen, wollen leichte Stoffe auf der Haut und Luft und Farbe spüren, und weg von der ganzen vielschichtigen Verhülltheit. Her mit den Blümchenblusen, weg mit den schwarzen Winterklamotten. Zephir soll blasen, dass die Wolken fliegen.

Ein Glück, dass das nächste Frühlingswesen uns schon bevorsteht, diesmal in Berlin. Eine junge Frau, die für ein einfaches Leben in der Natur schwärmte, für Picknick im Grünen, und die ebenfalls gern durchscheinende, leicht fallende Gewänder trug, mit Blümchenmustern. Ein Elfenwesen, das gern tanzte und feierte, das seinen Körper mehr zeigte als verhüllte – das war damals fast ein Skandal. Es ist Königin Luise, die ab Freitag in Schloss Charlottenburg mit einer Ausstellung gefeiert und auf Plakaten als „It Girl“ und „Fashion Victim“, als „Miss Preußen“ beworben wird. Die jugendliche Regentin verspricht auch heute noch Sinnlichkeit, Lebensfreude und Schönheit. Für den Fall, dass Regenwolken den ersten Frühlingsspaziergang doch noch vereiteln.

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