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Kultur: Fucking Kreuzberg

Aber ja, es gibt sie, die Westalgie. Doch in den Sprachgebrauch ist der Begriff nicht eingegangen.

Aber ja, es gibt sie, die Westalgie. Doch in den Sprachgebrauch ist der Begriff nicht eingegangen. Zu sehr heißt es, 1989 habe lediglich für die Bürger der DDR eine radikale Wende bedeutet, während die Westler einfach weitermachten wie bisher. Das mag für Bayern oder das Saarland gelten, für Kreuzberg gilt es nicht. Niemand hat diese Kiez- und Subkultur so dokumentiert wie Lothar Lambert – der Heinrich Zille des Neuen Deutschen Films. Seine Filme der siebziger und achtziger Jahre drehte er, wo er selber lebte: dicht am U-Bahnhof Schlesisches Tor. Nun widmet ihm die Brotfabrik, ein paar Tram-Stationen hinter der Schönhauser Allee, eine zweiwöchige Werkschau. Wie sich die Bewohner dieses so ganz anderen Kiezes mit Lamberts Protagonisten identifizieren mögen?

Lambert hat die Verlierer der Gesellschaft aus dem Korsett des Problemfilms befreit – sexuell vernachlässigte Frauen, Tunten und Asylbewerber bilden bei ihm keine Opfergruppen. Sie suchen das kleine Glück im Hinterhof, aber ihre bescheidenen Ansprüche werden niemals belächelt. Die Bilder wirken schmutzig, nicht hässlich, und wenn die Laiendarsteller ihre Kleidung ablegen, ist das purer Naturalismus. Und: Lambert macht aus jeder Not eine Tugend: Die Liebeswüste (heute und Freitag) war nach einer Panne im Kopierwerk nur noch ein Torso, da beschloss das Filmteam, diese Panne zu thematisieren, statt sie zu kaschieren. Fräulein Berlin (Sonnabend und Sonntag) handelt von der Trash-Diva Erika Kleinschmidt, deren Machwerk „Monster Woman“ zum Festival in Toronto eingeladen und verboten wird. Und um Swinger, die sich den Besuch im Swinger-Club nicht leisten können und ihn auch gar nicht nötig haben, geht es in Fucking City (Montag bis Mittwoch).

Heutzutage ist es auch möglich, mit digitaler Technik über ein niedriges Budget hinwegzutäuschen. Frederic D. hat sein „Jugenddrama“ Miss Baghdad vollständig vor einer blauen Wand gedreht und nachträglich Videobilder und Plakate eingefügt. Mit betonter Künstlichkeit erzählt er von einem Mädchen, das sich gegen den Irak-Krieg engagiert und dessen Engagement von einem Werbefachmann ausgenutzt wird (im Kino Central). Der Regisseur, heißt es, ist derweil wegen hoher Telekom-Schulden untergetaucht – er hat offenbar rund um die Uhr Bilder aus dem Internet heruntergeladen. Doch Vorsicht: auch das ein Werbegag?

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