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Kultur: Fünf vor zwölf im Urwald

Showdown: Musicalgigant Stage Entertainment steckt in der Führungskrise

Und dann ist mitten im Flug die Liane gerissen. Bis Dienstag galt Maik Klokow als unangefochtener Chef über das Musical in Deutschland, ein Selfmademan aus der Diaspora, 1965 in Wismar geboren, ein durchtrainiertes Powerpaket, das sich von Erfolg zu Erfolg schwingt, eine Identifikationsfigur, wie man sie gerade im Showgeschäft braucht, wo es nicht nur abends im Saal darum geht, dass unten welche sitzen, die zu einem da oben aufschauen.

Seit 2000 hat er im Auftrag des holländischen Unterhaltungskonzerns Stage Entertainment aus dem Nichts eine deutsche Tochterfirma aufgebaut, hat binnen weniger Jahre hochprofessionelle Strukturen geschaffen, elf Bühnen in der gesamten Republik zu modernen Dauerabspielstätten umbauen lassen, ein Marketingnetzwerk etabliert, um allabendlich rund 17 000 Plätze zu füllen, kurz, das Genre des unterhaltenden Musiktheaters zur boomenden Jobmaschine gemacht. Gerade erst konnten Klokow und sein Team mit dem Udo-Jürgens-Musical „Ich war noch niemals in New York“ am Hamburger Operettenhaus das erste selbst entwickelte Stück zur umjubelten Uraufführung bringen, die Bühnenadaption von Disneys „Tarzan“-Film mit Songs von Phil Collins sollte im Oktober sein nächster Coup werden, ebenfalls in Hamburg.

Erstmalig sucht die Stage Entertainment dabei die beiden Hauptdarsteller über eine Castingshow, die Hugo Egon Balder ab dem 29. Februar bei Sat1 moderieren wird. Am Montag fand die erste Kandidatenvorrunde in der „Neuen Flora“ statt – und Maik Klokow sollte den Vorsitz der Jury übernehmen. Doch statt des Deutschlandgeschäftsführers erschien Marketingdirektor Michael Hildebrandt. Den Grund dafür lieferte am späten Dienstag eine Mail aus dem Hamburger Hauptquartier: „Maik Klokow und Stage Entertainment haben sich gemeinsam darüber verständigt, dass Maik Klokow das Unternehmen zum 1. Januar 2008 verlässt.“

Eine Formulierung, die nach Zoff hinter den Kulissen riecht. Und in der Tat: Wer bei Insidern nachfragt, erfährt, dass zwar alle vom Zeitpunkt der Bekanntgabe überrascht wurden, dass ein Bruch zwischen Klokow und Joop van den Ende, dem allmächtigen Alleinherrscher über die Stage Entertainment, aber mittelfristig erwartet wurde.

Zwei Tarzans im Urwald des wild wuchernden Showbiz-Konzerns, das konnte auf die Dauer einfach nicht gut gehen. Hatte der Holländer seinen Deutschland-Chef auch zunächst als Kronprinz aufgebaut, wurde ihm der von Mitarbeitern als „Dampfwalze“ und „dominante Persönlichkeit“ charakterisierte Klokow letztlich wohl doch zu mächtig. Als van den Ende kurz vor der Premiere des Udo-Jürgens-Musicals eigenmächtig das Regieteam auswechselte, weil er mit einer Durchlaufprobe nicht zufrieden gewesen war, musste Klokow das auch als Tritt gegen sein Schienbein ansehen. Schließlich galt sein Ehrgeiz stets der Entwicklung von neuen Stoffen.

Auch die Schließung des Berliner Schlossparktheaters nach nur zwei Jahren kam als ordre de mufti. Eigentlich sollte das Steglitzer Traditionshaus als Experimentierbühne für neue Stücke dienen – doch was sich wirtschaftlich nicht rentiert, wird dichtgemacht. Da ist Joop van den Ende, der sich sonst so soigniert gibt und seine Theater mit zeitgenössischer Kunst aus der eigenen Sammlung ausstattet, dann doch einfach ein knallharter Kaufmann.

Einer wie Maik Klokow aber lässt sich nicht gerne reinreden, und er verkauft Entscheidungen, die über seinen Kopf hinweg in Holland getroffen werden, auch nicht gerne als die eigenen.

Als es nun auch beim „Tarzan“-Projekt wieder zu Kompetenzrangeleien mit dem Big Boss aus den Niederlanden kam, hat Maik Klokow Konsequenzen gezogen. Kenner des Konzerns machen sich über seine Zukunft allerdings keine Sorgen. Wahrscheinlich habe er längst eine neue Perspektive, vermutet einer, fern des Musical-Marktes, in einem anderen Boombranche, wo er seine Manager-Qualitäten als Wegweiser für rasant wachsende Unternehmen ausleben kann. Eine echte Führungskrise dagegen gibt es beim deutschen Musical-Marktführer: Dass Klokows Posten nicht aus den eigenen Reihen neu besetzt werden konnte, sondern dass interimistisch Henk Kivits einspringen muss, der als Chief Executive Officer auch noch für die Häuser in Russland, Spanien, Italien, Frankreich und Holland zuständig ist, spricht Bände.

Zumal die Stimmung bei Stage Entertainment Germany seit langem zu wünschen übrig lässt: Die Euphorie der Aufbaujahre ist verflogen, die Mitarbeiter im Hamburger Hauptquartier fühlen sich zu Rädchen im Getriebe einer gnadenlos abschnurrenden Unterhaltungsmaschinerie degradiert, während die Angestellten in den Filialen wie dem Theater des Westens, dem Theater am Potsdamer Platz oder der Berliner Blue-Man-Group um ihre Arbeitsplätze bangen, seit intern massive Sparmaßnahmen angekündigt wurden.

Das kommerzielle Showbusiness, das macht der Fall Klokow erneut deutlich, ist eben ein ewiges Dschungel-Camp, in dem die Gesetze des Raubtierkapitalismus gelten. Die Worte, mit denen sich Joop van den Ende von Maik Klokow verabschiedet hat, kann man sich da gut vorstellen: Ich Tarzan, du geh’n!

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