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Kultur: Für eine schlappe Million

Einen Tag nach dem spektakulären Raub der sieben Gemälde aus der Rotterdamer Kunsthalle, der dreisten Entführung von Picasso, Matisse, Monet und Gauguin im Wert von zig Millionen Euro, verfolgt die Polizei erste Spuren. 16 Hinweise gingen bislang ein, darunter vier brauchbare, wie es heißt.

Einen Tag nach dem spektakulären Raub der sieben Gemälde aus der Rotterdamer Kunsthalle, der dreisten Entführung von Picasso, Matisse, Monet und Gauguin im Wert von zig Millionen Euro, verfolgt die Polizei erste Spuren. 16 Hinweise gingen bislang ein, darunter vier brauchbare, wie es heißt. Das klingt ganz vielversprechend. Nach dem Schock über den Einbruch in dem nächtlich nur mit Alarmanlage und Überwachungskamera gesicherten Ausstellungshaus regt sich erste Hoffnung, dass die Bilder bald wieder an ihrem Platz sein könnten, zumindest zu ihrem Besitzer zurückkehren, den privaten Eigentümern der Triton-Sammlung.

Die lassen sich ohnehin von den Dieben nicht ins Bockshorn jagen. Statt die mehr als 100 verbliebenen Werke in der Jubiläumsausstellung zum zwanzigjährigen Bestehen der Kunsthalle nun energisch zurückzuverlangen und die Direktorin zu schelten, ließen die Leihgeber die entstandenen Lücken aus ihrer Sammlung wieder auffüllen. Ob es noch einen Picasso, Matisse oder Monet in der Hinterhand gab, wollte das Museum nicht verraten. Der Ausstellungsbetrieb soll wieder so normal wie möglich verlaufen.

Die Erwartungen richten sich umso mehr auf den 25 Polizisten starken Suchtrupp, ähnlich viele Beamte kommen sonst nur bei Mordfällen zum Einsatz. Den Durchbruch dürfte vermutlich weniger der Spürsinn der Beamten als ein Angebot vonseiten der Räuber erbringen. Mit größter Wahrscheinlichkeit geht demnächst bei einem Kunstversicherer eine kleine Lösegeldforderung ein: den Picasso für eine schlappe Million, den Matisse vielleicht für zwei. Ein solcher Deal kostet die Versicherung immer noch weniger, als die Police zu erfüllen. Das wissen beide Seiten nur zu gut und werden meist handelseinig. In diesen Momenten der Übergabe reduziert sich die Kunst mehr als bei jeder Versteigerung, jedem Verkauf zur Ware, deren Wert beziffert wird.

Zugleich tut sich ein Erwerbszweig für Gentleman-Verbrecher in der Kunstbranche auf: Man arbeitet auf höchst kultiviertem Niveau und ohne Zeitdruck, zu Schaden an Leib und Leben kommt keiner, denn das Entführungsopfer Bild kann beliebig lange in seinem Versteck verbleiben. Außerdem profitieren auch die Geschädigten. Die Wertschätzung gestohlener und rückerstatteter Werke stieg jedes Mal enorm. Erst nach ihrem Diebstahl und der pompösen Heimführung aus Italien nach Paris vor 101 Jahren wurde die Mona Lisa zum It-Girl der Kunst. Seitdem ist sie die Liebste im Louvre.

Die Zunahme an spektakulären Kunstdiebstählen in den letzten Jahren zeugt von diesem Trend. Die perfekte Sicherheit gibt es kaum, abgesehen von den immensen Kosten. So mancher stolze Besitzer bewundert bibbernd seine Werke. Zugleich kommen viele Großausstellungen nur noch dadurch zustande, weil der Staat als Sicherheitsnehmer einspringt; den Museen selbst würde das Geld dafür fehlen. Hoffentlich gehen da die Rotterdamer Art-Napper pfleglich mit ihrem Diebesgut um und beweisen zumindest darin Kunstverstand. Ein verrückter Sammler, der den Auftrag erteilt hat, um sich klammheimlich an den Bildern zu erfreuen, steckt wohl kaum dahinter. Diese Figur ist ein Mythos, der eine Tat überhöht, die trotz allem banal und brutal bleibt.

Nicola Kuhn hofft auf die Rückkehr der in Rotterdam gestohlenen Gemälde

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