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Ausgebufft. Matthias Martelli im kontroversen „Mistero buffo“.

© Giorgo Sottile

Für Katholiken nicht zumutbar?: Warum ein Theaterklassiker in Italien für Streit sorgt

Eine Turiner Theatergruppe tourt mit einem Stück von Dario Fo durch Italien. Nun wird ihnen die Aufführung in einer katholischen Gemeinde verboten.

Mit der kuriosen Begründung, das Stück sei wegen seiner Themen, „den katholischen Glauben betreffend, für die Bevölkerung nicht passend“, hat die umbrische Gemeinde Massa Martana die Aufführung des Stücks „Mistero buffo“ von Dario Fo und Franca Rame verhindert. Wieder inszeniert und auf Tour geschickt hatte den Klassiker des italienischen Literaturnobelpreisträgers Fo das Turiner Teatro Stabile.

Der Schauspieler Matthias Martelli, der damit seit ein paar Jahren in vielen Städten und Gemeinden in Italien gastierte – am 11. November wird er im Münchner italienischen Kulturinstitut erwartet –, machte den Rauswurf dieser Tage per Video auf seiner Facebook-Seite öffentlich.

Die Sache habe etwas „wirklich Seltsames, Anachronistisches und zugleich Beängstigendes“, sagte der 34-jährige Schauspieler. Fo, der 2016 starb, und seine Ehefrau und Co-Autorin Rame seien bereits zu Lebzeiten zensiert worden und nun, 2020, erneut.

Ausgerechnet die Episode mit dem Titel „Das erste Wunder des Jesuskinds“ hätten die Gemeindeoberen – die zudem dem halblinken sozialdemokratischen Partito Democratico angehören – anstößig gefunden. Das könne nur ein Missverständnis sein, da Fo und Rame sie dem Volksglauben entnommen hätten. Jedenfalls, so Martelli, läute hier „eine große Alarmglocke, was die kulturelle Lage unseres Landes betrifft“.

Die Szene erzählt die Flucht Jesu und seiner Eltern vor den Mordplänen des Königs Herodes aus Bethlehem. Am Zufluchtsort werden sie als Fremde geschnitten, Jesus darf nicht mit den einheimischen Kindern spielen und wirkt schließlich ein Wunder, um sich beliebt zu machen.

Auch schon in den 1960ern gab es Streit um Fos Werke

Martelli zitiert aus der Begründung des Nobelkomitees für Fo im Jahre 1997, das ihn als „eine der führenden Persönlichkeit der modernen Farce und des politischen Theaters“ auszeichnete: Er habe „den Possenreißern des Mittelalters nachgeeifert, indem er die Mächtigen geißelte und die Würde der Unterdrückten hochhielt“.

Wegen ihrer Kunst ebenso wie wegen ihres lebenslangen politischen Engagements auf der Linken standen Fo und Rame mehrmals vor Gericht; das italienische Staatsfernsehen Rai zensierte in den 1960er Jahren ihre Texte für die populäre Musikshow „Canzonissima“, seinerzeit ein Straßenfeger, und feuerte das Paar schließlich.

Als die Rai Jahre später „Mistero buffo“ ausstrahlte, telegrafierte der Vatikan an Italiens Dauerpremier Giulio Andreotti, in „Schmerz und Protest gegen die entheiligende und kulturwidrige Sendung“.

Linker Bürgermeister in der Kritik

Jacopo Fo, Sohn von Franca Rame und Dario Fo, zeigte sich in einem Interview für das Onlineportal des Politmagazins „Micromega“ erfreut darüber, dass „Mistero buffo“ erneut Staub aufwirbelt: „Dass die Werke meines Vaters und meiner Mutter noch immer nerven können, ist ein Grund, stolz zu sein, eine Auszeichnung. So zeigt sich immer wieder, wie lebendig ihre Kunst ist.“

Das Nein eines Bürgermeisters der linken Mitte freilich beweise, dass „Teile der Linken aufgehört haben, Kultur für etwas zu halten, was Menschen bildet, und sich mit dem zufriedengeben, was Erfolg im Fernsehen hat“.

Der Bürgermeister reagierte unterdessen in der Turiner Tageszeitung „La Stampa“: „Da liegt ein Missverständnis vor“, so Francesco Federici. Dass das Stück nicht zur Aufführung komme, stimme, „aber das ist keine Zensur“. Man habe einfach zum Auftakt des lokalen Sommerfestivals so unmittelbar nach dem Covid-Notstand „mit etwas Leichterem beginnen“ wollen.

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