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Kultur: Für mich soll’s Tote Hosen regnen

Rock für die Opfer der Flut: Campino & Co. suchen ihr Glück in der Treptower Arena

Was unterscheidet ein Tote-Hosen-Konzert von einem Tote-Hosen-Konzert?

Hören wir mal, was Campino dazu sagt: „Wir hoffen vor allem, dass die neuen Lieder für unser Publikum Relevanz haben, dass die genauso gewürdigt werden wie die alten. Ich möchte da auf keinen Fall einen Suzy Quatro für Arme abgeben und immer wieder nur ,Alex’ und ,Bommerlunder’ spielen.“ Bla. Blub. Würden die Stones auf „Satisfaction“ verzichten? Na also.

Hören wir mal, wie die Toten Hosen ihr Jahresabschlusskonzert in der Arena beginnen: „In einer Welt, in der man nur noch lebt, damit man täglich roboten geht, ist die größte Aufregung, die es noch gibt, das allabendliche Fernsehbild...“. Und so weiter. HEY, hier kommt Alex! Klar doch.

Vergessen wir’s. Sinn oder Unsinn, Punk oder Prolo, alt oder neu, Schlager oder Schläger, keine dieser Fragen stellt sich wirklich, und wer dennoch unbedingt eine Antwort will, bekommt nur ein großes UND.

Neben kleinen Mädels in Lederjacke und mit rotem Irokesenkamm steht der Papa im vollem Pudeloutfit, made by Heidi’s Frisörstübchen; hier kleine Jungs im rot-weißen Fortunaverlierertrikot, dort schunkelnd die Mama, ergriffen das Totenkopffähnchen schwenkend, und alle zusammen saugen sie hart an der Ohnmachtsgrenze die letzten Sauerstoffspurenelemente aus dem schweißundbierfeuchten Hallendampf.

Oben Campino, ein bisschen auf den Boxen kletternd, ein bisschen kokettierend, ein bisschen provozierend, aber nie zu sehr, die Gemeinde ist ja groß geworden in all den Jahren, nur gegen Nazis, das müssen sie schon alle sein; oder mal kurz weghören bitte. Also alles wie immer, und neue Hosen-Songs klingen ja auch nicht anders als die alten.

Was dieses Konzert von anderen unterscheidet, sind Details. Die Toten Hosen, stets „für die gute Sache“ (Campino) unterwegs, kündigten an, den gesamten Gewinn des Auftritts für die Flutopfer in Indonesien zu spenden. Keine Kleinigkeit, erwartet wurde eine Summe von rund 150000 Euro, weil sich auch Mitarbeiter und Organisatoren des Konzerts anschlossen. Das Geld soll „Ärzte ohne Grenzen“ zur Verfügung gestellt werden.

Was sonst noch? Ein kurzer Gastauftritt des Beatsteaks-Sängers Arnim, zwei Songs gemeinsam: „Should I Stay Or Should I Go“ und „I Fought The Law“, von Campino als Verneigung vor The Clash angekündigt. Lassen wir’s mal so durchgehen, auch wenn „I Fought The Law“ nur erfolgreich von Clash gecovert wurde, damals, 1979, eben in dem Jahr, als Campino zum ersten Mal auf der Bühne stand, noch als Frontmann der Düsseldorfer Band ZK, mit dem Rücken zum Publikum, was ihm einen hilfreichen Anschiss seines großen Bruders einbrachte. Seitdem ist bei ihm alles bedingungslos frontal. Zurück zu „I Fought The Law“: Geschrieben hat es Sonny Curtis von den Crickets, noch damaliger, 1959. War ein kleiner Hit. Egal. Arnim küsst Campino auf den Unterarm, und weg ist er wieder.

Bald darauf, unter anderem: Zehn kleine Jägermeister. Die Pilger aus den umliegenden Dörfern der Landkreise Oder-Spree, Teltow-Fläming und Märkisch-Oderland, tiefer, breiter, lauter, sind zurück im Glück.

Ein Hosen-Konzert, schon wieder. Eine Frage, vorgetragen wie ein mitleidsvoller Vorwurf: Warum tust du dir das an? Weil’s Laune macht, einfach so. Dazu nochmal Campino: „Wenn ich sehe, dass die Leute auf das neue Zeug abfahren, macht es mir auch höllischen Spaß, in unserer Vergangenheit rumzukramen und ein paar Perlen auszupacken. Ich freue mich, wenn die Leute schwitzen und sagen: Ich habe die Hosen jetzt zwölfmal gesehen, aber das nächste Jahr fahre ich wieder hin!"

Augen auf und durch. Weiter am 3. Juni in der Waldbühne. Natürlich längst ausverkauft.

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