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Kultur: Fundgrube für Sinnsucher

Daß alles mit allem in der Welt zusammengehört, wird nur dadurch relativiert, daß jeder Mittelpunkt seines eigenen Kosmos ist.Das schränkt die Unendlichkeit der Informationen erheblich ein.

Daß alles mit allem in der Welt zusammengehört, wird nur dadurch relativiert, daß jeder Mittelpunkt seines eigenen Kosmos ist.Das schränkt die Unendlichkeit der Informationen erheblich ein.Die Zeichnungen von Heinz Emigholz sind so ein Kosmos eigener Art.Emigholz, der in der Vergangenheit wohl eher als Experimentalfilmer oder Filmessayist bekannt geworden ist, hat nämlich auch gezeichnet.Seit 1974 entstanden mit Stift, Füller und Tipp-Ex auf Papier comicartige, schwarz-weiße Bilderrätsel, oft einem Rebus nicht unähnlich.

Aus dem wuchernden Fundus seiner Text / Bildcollagen aus Tage- bzw.Notizbüchern schöpfend, hat Heinz Emigholz eine eigene zeichnerische Form gefunden.Die sukzessiv gewachsene Serie präsentiert sich in ihrer endgültigen Gestalt im immergleichen Format (60 x 50 cm, 1400 DM) als Abzug auf Fotopapier.Das Original ist also eine Reproduktion.In Fünferreihen bis unter die Decke und mit einigen Leerstellen dazwischen lassen sich die quadratischen Zeichnungen nun in der Galerie Zwinger wie die Zeilen eines Kreuzworträtsels lesen, mal horizontal, mal vertikal, ohne daß es eine kontinuierliche oder linear erzählte Geschichte gäbe oder einen für den Betrachter festgelegten Sinn.Die assoziative Komposition innerhalb der Blätter setzt sich so auch auf der Ebene der ganzen Serie fort.

Was ist zu sehen? In einem an Comics oder alten Lexikon-Illustrationen gehaltenen Stil von Strichzeichnungen sind die verschiedensten Motive ineinander verdichtet, verwoben und collagiert.Auf einer mit "Porträts" behängten Wand findet sich des öfteren der für Emigholz wichtige Filmregisseur Josef von Sternberg ("Der blaue Engel") neben einigen Selbstporträts von Heinz Emigholz und dem Konterfei der Filmkritikerin Frieda Grafe.Diese Kombination folgt der gleichen Logik wie das hier ebenfalls dargestellte Zusammentreffen von Aristoteles mit Jacqueline Onassis.

Eine andere Wand versammelt Bilder unter dem Titel "Das schwarze Schamquadrat": nicht nur Anspielung auf Malewitsch, sondern die wörtliche Übersetzung für ein in der Serie auftauchendes Motiv.Ein Frauentorso mit Quadrat zwischen den Beinen, gehalten von Bügeln und auf Beinen einer Gliederpuppe stehend.Daneben das Grabmal Malewitschs in einer Wüstenei abgeholzter Bäume, in der sich ein Mann mit Hut und Anzug befindet.

Im Laufe der Jahre wurden die Zeichnungen immer komplexer, die thematischen Bezüge - soweit man sie überhaupt erkennt - immer verflochtener: Ein Fundgrube für Sinnsucher, die sich hier unerschöpflich ergehen können, wie in einem surrealistischen Komsos der vierten Art, obwohl oder gerade weil für Emigholz jede gezogene Linie ihren Sinn hat.Beispiel: Da verzahnt sich der aus zwei Halbkreisen bestehende Grundriß des von Richard Neutra entworfenen Sternbergschen Hauses in den USA mit dem Bild von Bomberpiloten vor ihrem Einsatz, Flugzeugen mit Sportlern und der Buchstabenfolge "L-O-O-P", mal vorwärts und mal - wie im Grundriß - rückwärts zu lesen.

Die Welt scheint in den Zeichnungen von Emigholz in einer Gegenwelt aufgehoben, die Zusammenhänge zeigt, Themen kombiniert, Bezüge konstruiert, die eine Lesart anbieten, wie sie eher der Traumsyntax angehören.Die informatorischen Verschlingungen der Emigholzschen Welt zwingen einen zur Überprüfung der scheinbar so natürlichen Zusammenhänge zwischen draußen im Kosmos und drinnen im Kopf.Nicht, daß es da eine Art von Repräsentation gäbe.Welt wird gedacht, also läßt sie sich auch anders denken, etwa wie bei Emigholz.Dort hat sie wenigstens Stil.

Zwinger Galerie, Gipsstraße 3, bis 9.Januar; Dienstag bis Freitag 14-19 Uhr, Sonnabend 11-17 Uhr, 24.-28.12.und 31.12./ 1.1.geschlossen.

RONALD BERG

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